Kunsttherapeutische Interventionen in Beratung & Therapie

Maltherapie (nach C.G. Jung)

Aufbauend auf Sigmund Freud, den Vater der Psychoanalyse, der das Konzept des „Unbewussten“ schuf, geht auch C. G. Jung von der Annahme aus, dass jegliche Aktionen des Menschen, auch die bewusst geplanten und durchgeführten, immer auch von unbewussten Anteilen begleitet sind. – Er nimmt dabei Bezug auf die unterschiedlichen Arbeitsweisen des in zwei Hemisphären geteilten Gehirns, von denen jede ganz spezielle Funktionen erfüllt.

Auch konzeptualisierte Jung das „kollektive Unbewusste“, in dem grundlegende Erfahrungen früherer Generationen gespeichert sind. Nach dieser Vorstellung werden Menschen von urzeitliche Lebens- und Erlebensweisen gelenkt, die als archetypische Vorstellungen in der Sprache, im bildhaften Denken und in vielen anderen symbolischen Ausdrucksweisen des Menschen enthalten sind.

Zu den Archetypen zählen mythische Figuren; aber auch viele Wahrnehmungsspezifika, die die Verarbeitung der Sinneswahrnehmungen im Gehirn vorstrukturieren, wie Farben, Formen, räumliche Ausrichtungen, ikonische Ausdrucksweisen und vielerlei Symbole, bis hin zu den Zahlen.

Darauf ist die Maltherapie von C. G. Jung aufgebaut: mit ihr kann ein Zugang zu den unbewusst ausgedrückten Anteilen des bildhaft Dargestellten gefunden werden. Denn im kreativen Ausdruck zeigt sich das Unbewusste - wie in Träumen auch - mit völlig vom Bewusstsein ausgeblendeten Themen oder dissoziierten inneren Anteilen.

Bildsprachlich wird also vieles unbewusst ausgedrückt, das die malende Person nicht „absichtlich“ gestaltet; und das kann sowohl individuellen als auch kollektiven Ursprungs sein.

So kann sich bereits im Prozess des Malens etwas zeigen, das wahrgenommen werden will. Dabei kann die malende Person - im Dialog mit ihrem Bild - sehr schon oft von selbst erkennen, was sich da aus ihrem unbewussten Inneren offenbaren möchte, auch wenn sie dies (mit ihren Ich-strukturierenden Anteilen) vielleicht lieber hätte verdecken, verbergen oder nicht wahrhaben wollen.

Ausdrucksstark können sich in kreativ Gestaltetem bzw. in gemalten, gezeichneten oder auch gedrippten Bildern Märchen, Mythen oder archetypische Symbole Ausdruck verschaffen. Das „passiert“, wenn kollektive innere Bilder aus dem großen unbewussten Innenraum des Menschen in das kreativ Dargestellte einfließen und sich mit dem bewusst Gestalteten vermengen…

Diese unbewussten Anteile bildsprachlich „lesen“ zu können und damit therapeutisch (auch eigentherapeutische) lösungsorientiert arbeiten zu können, geht auf Ingrid Riedel zurück.

Literatur (eine kleine Auswahl):

  • Egger, Bettina (1991): Der gemalte Schrei: Geschichte einer Maltherapie. Verlag Zytglogge 2001
  • Riedel, Ingrid (1983): Farben - In Religion, Gesellschaft, Kunst und Psychotherapie. Kreuz: Stuttgart 1999
  • Riedel, Ingrid (1985): Formen. Kreis, Kreuz, Dreieck, Quadrat, Spirale. Kreuz: Stuttgart 1986
  • Riedel, Ingrid (1988): Bilder in Therapie, Kunst und Religion. Kreuz: Stuttgart 1999
  • Riedel, Ingrid (2010): Träume - der Anfang von allem. Den inneren Wegweisern folgen - neue Lebensräume entdecken. [Sonderausgabe nach Texten aus: „Träume. Wegweiser in neue Lebensphasen“ + „Lebensträume - Lebensräume.“] Kreuz: Stuttgart
  • Riedel, Ingrid & Christa Henzler (2004): Maltherapie. Kreuz: Stuttgart
  • Riedel, Ingrid & Christa Henzler (2008): Malen in der Gruppe. Modelle für die therapeutische Arbeit mit Symbolen. Kreuz: Stuttgart

Focusingorientierte Maltherapie (nach eigenen Konzepten)

Die Focusing-orientierte Maltherapie - das ist Focusing-orientierte Therapie, angereichert um die analog-bildsprachliche Ausdruckskraft, die im spontanen Malen aktiviert wird - ermöglicht es der Klientin in besonderer Weise, für ihre impliziten inneren Bilder und unbewussten Handlungstendenzen neue Symbolisierungen zu finden.

Die Focusing-orientierte Maltherapeutin vermittelt zwischen den drei Beziehungsrichtungen „Klientin – Bild“, „Therapeutin – Bild“ und „Klientin – Therapeutin“. Mit dieser sensiblen Vermittlerfunktion erfüllt sie eine triangulierende Funktion, mit der im therapeutischen Prozess mikroprozessuale Elemente herausgearbeitet werden können, die die Klientin ihre (Weiter-)Entwicklung in kleinen und oft kleinsten Schritten ganz tief erfahren lassen.

Entsprechend der dem Focusing zugrunde liegenden Philosophie wird ein „Deuten“ und „Interpretieren“ der von der Klientin erzeugten Werke nur mit Vorbehalt angewendet. Im Focusing-orientierten Malen ist die Bedeutung des Wahrgenommenen letztgültig an die momentane individuelle Rezeption der malenden Person geknüpft. Alle möglicherweise von der Therapeutin wahrgenommenen Aspekte wird sie der Klientin bestenfalls als Vorschlag einer möglichen Sichtweise anbieten, wird dies aber sogleich wieder fallen lassen, wenn im gegenwärtig aktivierten Erfahrungsraum der Klientin keine Entsprechung dafür anklingt.

Literatur:

  • Högner, Evelyn (2011): Focusing-orientiertes Malen. Implizite innere Bilder dem Erleben zugänglich machen. Diplomarbeit (Institut für Bildungswissenschaft: Projektstudium „Personenzentrierte Beratung und Psychotherapie“), Uni Wien / online: http://othes.univie.ac.at/17351/
  • Högner, Evelyn (2014): Die Polyvagal-Theorie von S.W. Porges. - Neurophysiologische Grundlagen der Therapie, erläutert an einem Fallbeispiel aus eigener Praxis. Abschlussarbeit Traumapädagogik & trauma-zentrierte Fachberatung, Zentrum für systemische Beratung und Therapie Weyhe (unveröffentlicht)
  • Högner, Evelyn (2017): Focusing-orientierte Kunsttherapie: Drippainting als Malgrund für innere Bilder. Vom Wechselspiel zwischen implizitem und explizitem Erleben. In: Marion Wendlandt-Baumeister, Karl-Heinz Menzen & Peter Rech (Hrsg.): Kunst & Therapie, Zeitschrift für bildnerische Therapien, Heft 2017/2. Claus Richter Verlag: Köln (veröffentlicht Dez. 2017)

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Kreatives Gestalten kann ein rein sinnliches Erleben sein...

...doch enthält es auch die unbewusste Darstellung
von inneren Bildern und damit verknüpften Emotionen.
(Angstbesetzter Titel hier: „Auf der Straße spielende Kinder“)

Hier ein geglückter Perspektivenwechsel („verkehrsberuhigte Zone“), entstanden aus einer großflächigen Erweiterung des Malgrundes
(s. „die spielenden Kinder“ im oberen Bild,
von dem hier in der Mitte eine A-4-Kopie eingearbeitet ist).

Hier die rasch hingeworfene Darstellung einer 5-köpfigen Familie.
Doch wo ist die fünfte Person?
Sie ist farblich unscheinbar - und damit „kaum zu sehen“.
In welcher Beziehung mag die Malende wohl zu dieser Person stehen?
In der Bildbesprechung war sie überaus bestürzt über die ihr
unbewusst gewesene Einschätzung der Beziehung / oder der Person.

Sprüche & Zitate:

Ich schließe meine Augen, um zu sehen.
(Paul Gaugin)

Absichtslosigkeit ermöglicht,
verweilend und lauschend inneren Regungen zu folgen,
die viel weiter und viel tiefer als Worte reichen.

(Klaus Renn)

Die gelebte Mikrowelt gelangt immer ins Gewahrsein,
aber nur manchmal ins Bewusstsein.

(Daniel N. Stern)