Vier Sonette an G.H.
[1972]

1.

Wie unsagbar hab' ich dich je geliebt!
Mit wie viel' Blicken - die du missverstandest -
wollt' ich dich fragen, was denn du empfandest!
Dein Schweigen machte mich zutiefst betrübt.

Doch war ich stets aufs neu in dich verliebt,
wenn du dich unerwartet zu mir wandtest!
Ich fühlte wohl, wie sehr du mir entschwandest,
je näher du mir kamst. (Wie es das gibt?)

Oft hätt' ich rufen mögen: „Lass mich, bleib!
Bleib weg von mir! Wir wollen doch nicht lügen!“
Doch schwieg ich. Wie von selbst begann der Leib,

sein Ziel zu suchen: Nähe... Lust... Vergnügen...
Wir lagen beieinander, Mann und Weib.
Wir liebten uns. Und wussten, dass wir lügen.

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2.

Warum nur kamst du mir in solche Nähe?
Ganz tief im Innern fühle ich die Schuld:
Es drängt mich hin zu dir, zum Liebeskult,
wann immer ich dich denke, fühle, sehe...

und will doch gar nicht, dass es neu geschehe!
Dann wieder wird die Lüge abgespult.
Wir sind uns nahe. (Nicht?) So hab Geduld!
Wenn ich nur wüsst', wie ich dir widerstehe.

Spürst du es denn? Ich fühle mich so klein.
Ich sehne mich danach, dir mehr zu sein
als nur ein Körper, der dir fügsam war!

Und immer wieder träum' ich: Hat bis jetzt,
was wir einander sind, auch oft verletzt,
vielleicht wird unsre Liebe einmal wahr.

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3.

Wohl weiß ich auch, dass da schon Stunden waren
voll unbeschreiblich reinem Glücksgefühl.
Und nicht das Glück aus dem Geschlechtsgewühl.
(Das könnte solche Träume nicht bewahren!)

Ich täume doch: Wir haben ja erfahren,
was tiefe Lieb' in Menschenherzen will!
Wir lächeln... Doch wir schweigen viel zu viel
in jener schrillen Schwüle, uns zu paaren.

Doch nur der wahren Liebe, nicht der Lust,
ist je solch eine Sehnsucht angehangen!
Ich fühl' es (hoffend, dass auch du es tust):

wir können jenes tiefe Glück erlangen,
in der auch uns're Seelen unbewusst
nach untrennbarer Einigkeit verlangen.

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4.

Ein Abend geht mir nicht mehr aus dem Sinn.
Wir lagen, in Gefühle eingehüllt,
als würde tröstend, unbeschwert und mild
ein Morgenrot die Dämmerung durchglüh'n.

Besänftigt, friedvoll, fern von Lustgewinn
war alles Fragen stumm, das Leid gestillt.
Noch ließest du, von Zärtlichkeit erfüllt,
die Hand sanft über meinen Körper zieh'n.

Da war die Stille greifbar, voller Frieden.
Fast körperlos - doch spürbar Haut an Haut -
empfanden wir uns eins. Und fragten nicht:

„Ist uns denn endlich unser Glück beschieden?“
Denn es war da. Und ist uns so vertraut!
Wenn es dann auch das Schicksal uns zerbricht.


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