Frühe Liebesgedichte  -  zweite Tranche (an U. G.)  -  ab 1976


Erstes Gedicht an U.G.
[1976]

fast schwarzes Haar und einen dunklen Bart
nur um die Lippen ist ein Anflug Gold
mehr blond und manchmal lächelst du so hell
wie deine Augen meistens blau in grau
ganz selten grün und stolz und kindlich jung

ich sehne mich nach deiner Gegenwart
weil ich mich ganz in dich verlieren wollt
gib mir die Hand nein nimm sie fort ganz schnell
ich kenne meine Sehnsucht nicht genau
nur eine schreckliche Erinnerung


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Stillleben
[1976]

Im Goldrand: ein Bild (mit bizarren
Wunderblumen und Gräsern).
Im Zimmer: ein Tisch (mit Zigarren,
Weinkrug und halbvollen Gläsern).

Über dem Tisch (in der Schwebe
bläulich sich kräuselnder Schwaden)
liegt eine Schwermut: als gäbe
es Sehnsüchte, uneingeladen.

Heimlich erklomm eine Frage
(wohl über ein Fenster?) das Zimmer.
Wir lauschen... und klären die Lage:
Nein. Hier ist es wie immer.

Wir rauchen und trinken und flirten.
Sinnlich und heiß wird es nun...
Wie wollüstig wir uns begehrten!
Also, wir mussten es tun.

Aufreizend tickt eine Uhr (schafft
Rhythmus, mit Wohlklang vermischt).
Ein Schwelbrand sich steigernder Urkraft
entquillt uns mit schäumender Gischt.

Den Sinnen ist nicht mehr zu trauen!
(Der Mensch hat so seine Natur.)
Wir sind - bis zum tagenden Grauen -
entrückt in Ekstase pur!

Gewiss, es spricht keiner von Liebe.
Ich auch nicht. (Wie soll denn das gehn?)
Nur hinter dem Vorhang - die Diebe,
die bleiben noch lange da stehn...

Ahnen sie denn, was ich fühle?
Aber sie sind nicht real!
Ich gieße in meine Gefühle
noch etwas Wein. Er schmeckt schal.

Zärtlich flackert der Reigen
der tanzenden Kerzenlichter -
fragende Augen schweigen
das Schweigen chinesischer Dichter.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Herbst
[1976]

Und wieder einmal ist der Herbst im Land.
Die welken Blätter irren heimatlos,
als wären sie auf Kundschaft ausgesandt,
ein Grab zu suchen - oder einen Schoß.

Die Frucht bricht auf. Der Boden ist bereit,
den Lebensstrom wollüstig einzuschlürfen.
Auch Menschen reifen so. Oh Seligkeit,
wenn Saat und Scholle sich verschmelzen dürfen!

Lass mich in deinem Herbst die Erde sein,
auf die die Frucht herabfällt, eh sie birst.
Dass ich dich liebe, ist es nicht allein,
ich möchte, dass du reich und friedvoll wirst.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Dein Fenster
[1976]

Dein Fenster hat ein Gitter,
es lässt mich nicht hinein.
Dein armes Herz ist bitter,
es kennt keinen Sonnenschein.

Deine Türe ist verschlossen,
ich stehe wartend davor.
Deine Seele ist verdrossen,
und doch: sie lugt hervor!

So will ich hier draußen warten,
bis dich die Furcht verlässt.
Im blühenden Rosengarten
harret doch unser ein Fest!


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Im Innersten...
[1977]

Tot ist die Amme,
vergessen ihr Name.
Ach von so vielen
Liebesspielen
mit dutzenden Frauen
wird in genauen
Erinnerungen
lauthals gesungen.
Als wäre das mehr!
Und die Seele bleibt leer.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Unsichtbare Zweifel
[1977]

Unsichtbare Zweifel
wurden angeweht.
Ehe wir geboren,
waren sie gesät.

Unsichtbare Zweifel
wurden in uns groß,
sind mit uns gewachsen
aus der Mutter Schoß.

Unsichtbare Zweifel
ranken sich empor:
ihre dichte Hecke
wächst bis nah ans Tor!

Unsichtbare Zweifel
lassen dich nicht ein!
Und dein zager Ansturm
wird vergebens sein.

Unsichtbare Zweifel
führen dich mir fort.
Missverstehn und Misstraun
sind im Wort.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Verständnis
[1980]

Wenn du das Missverständnis
verstehen gelernt hast,
dann erst hast du die Tür geöffnet
für den gemeinsamen Weg.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Ebbe und Flut
[1980]

Glaubst du wirklich, die Liebe sei
utopischer Phantasie vergleichbar -
hehrem, unerreichbarem Ziel,
überirdischem Traumgespinst?
Erwartest du, der Rhythmus der Seele
sei anders geartet als der des Sexus?

Das Geschlecht will aufgegeilt sein -
stark sein - und erschlaffen dürfen.
Ebenso die Seele, das Gemüt!
Das Leben, als Motor wie als Sensor,
gleicht dem Atem, dem pochenden Puls,
der uns das Göttliche spürbar macht.

Alles fließt: in Wogen, in Phasen,
in lebenserhaltenden Sequenzen.
Das menschliche Fühlen, Erleben, Erfahren
liegt immer im Tidenhub der Gefühle!
Miss nicht alles nach Höhepunkten.
Leben ist fortwährend Ebbe und Flut.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Unwegsame Gegenwart
[1981]

Wießt du eigentlich,
was ich an dir
von Anfang an begehrte?

Du schienst mir stolz und groß!
Doch tarnten die Augen
in Wahrheit ein kleinliches Herz.

Du gabst dich frei und stark
in Worten und Gesten,
im Alltag und in der Lust!

Lust verstehst du allerdings
immer nur eindeutig.
Und schmälerst sie damit!

In feinen Verästelungen
müsste sie dir doch
Leib und Seele durchfluten!

Du aber forderst sie dir ab,
barsch, befehlend
und schmerzlich aggressiv.

Vergeude nicht jegliche Kraft
um unbeherrschter
Selbstbefriedigung willen!

Folge doch einmal dem Leben,
wohin es dich führt,
ohne mit ihm zu hadern.

Unwegsame Gegenwart,
die verirrte Zukunft
ahn ich dir voraus.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Zorn und Hader
[1981]

Haben. Du willst nur haben.
Doch willst du nichts geschenkt,
willst nichts geborgt,
ja nicht einmal gekauft,
noch gegen anderes getauscht!
Und selbst zu säen,
bist du viel zu rastlos.

Doch willst du haben.
Alles - und sofort.
Liebe, Macht und Anerkennung -
ohne Demut, ohne jede Einsicht,
dass das Werden einen Ursprung hat
und in der folgenden Vernetzung erst
den Weg, die Reife und die Ernte.

Mir ist es nicht anheimgestellt,
dich zu belehren. Allein die Deutung
unserer Begriffe ist zu unterschiedlich.
Du nennst dein Sehnen und Wünschen
„Utopie“ - phantastisch und unerreichbar.
Und immer haderst du dabei
mit dem unliebsamen Schicksal.

Ich nenne mein Traumbild „Ideal“.
Auch das ist nicht realisierbar.
Doch lebe ich ihm! - Trugbild? Mag sein,
denn das Ideal ist der Wirklichkeit
ebenso fern wie die Utopie.
Aber das Streben danach
ist hoffnungsstark und zielesetzend!

Erfolg sich anzumaßen, ist ein
kleinliches Geschäft mit dem Trotz.
Erfolg ist kein Produkt, kein Resultat,
ja ist in Wahrheit nicht einmal ein Lohn.
Er ist - ganz wie das Leben selbst -
die Kraft, die sich reproduziert.
Erfolg ist kein Ziel, er ist ein Weg.

Und niemals ist ein Erfolg gewiss!
Sicher ist nur, er ist kein Zustand,
den man erzeugen oder arrangieren kann.
Man muss ihn leben, ihn atmen,
ihn werden lassen und - ihm dienen!
Du forderst Lorbeerkränze?
Du vergeudest dich in Zorn und Hader.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Dir Heimat sein?
[1981]

Vereinigung, Hingabe, Stückwerk.
Du nanntest mich „deine Heimat“!
Wie wolltest du denn da wohnen -
so ganz ohne Heimatgefühl?

Das Universum der Liebe
ist unglaublich reich an Gefühlen!
Da ist nur so kleinlich Errafftes
ja bloß ein verschwindender Rest.

Gepatchworkte Emotionen,
die du mir als Liebe verkaufst,
sind - grade an ihr - nicht messbar!
Und sie genügen mir nicht.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Säumnisse
[1981]

Gewiss sind unsere Säumnisse groß
und die Hirne und Herzen entzwei.
Doch die Wunder der Seele sind grenzenlos!
So wart ich noch. Gehst du vorbei?


~ ~ ~ * ~ ~ ~

In anderen Räumen
[1981]

Die Kindheit war mir
ein schier nie enden wollendes Träumen!
Das erquickte mich ungleich mehr
als der jetzige traumlose, schwere Schlaf.

Liegt es an dir?
Liegt 's an uns beiden? Wir zögern und säumen,
zagender, sehnender Hoffnung leer...
So lieben wir uns - schwunglos und brav.

Du bist nicht hier,
wenn du bei mir bist!
In anderen Räumen
(wie ich erst später erfahre) ist der,
den eine neue Verliebtheit im Herzen traf.

Entgegnest du mir,
dass das nicht wahr sei? Aber es streunen
doch deine Gedanken fast immer woanders umher!
Zweigleisig fährst du. (Lang schon!) Ich bin ein Schaf.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Im schwarzen Kleid
[Wechselstrophenelied, 1981]

Ich stehe am Treffpunkt und warte auf dich
(ist 's Zufall?) im schwarzen Kleid.
Du gehst vorbei - und siehst nicht auf mich!
Ich ahne kommendes Leid.

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär'.
Und ewig derselbe Krieg.
Wie ist das Gemeinsame gar so schwer:
immer ein Kampf um den Sieg.

Ich stehe und warte - und sehe dir zu,
wie du nicht um die Ecke biegst!
Dumpf schlägt ein Haustor - und weg bist du.
(Ich schäme mich, wenn du lügst?!)

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär',
das uns so völlig entzweit...
Und jede Versöhnung: banal und leer.
Das Einende gar so weit.

Ich stehe noch immer und weiß nicht recht,
was nun mit mir passiert.
Der Boden tut sich nicht auf. (Das ist schlecht.)
Was wär', wenn mir übel wird?

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär'.
Und unsere Gespräche? Träg.
Du bist so abwesend... liebeleer...
Ist das der gemeinsame Weg?

Ich steh - von Passanten angegafft
(es kommt mir zumindest so vor) -
und spüre die Zeit, die sich dehnt... und rafft...
und schaue gebannt auf das Tor.

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär',
das uns schon so lange plagt.
Ich weiß gar nicht, wie lang! Und wo kam es her?
Ich hab' dich das nie gefragt.

Ich stehe, so irgendwie ängstlich-verdutzt,
weiß wirklich nicht, was ich hier soll.
Ich hab' mich zum Treffen herausgeputzt!
Nun bist du nicht da. Na toll.

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär'.
Und immer das gleiche Lied:
So lass mich, ich kenn' mich ja selbst nicht mehr.
Und irgendwas schwingt darin mit.

Ich stehe und denke mir: „Ganz schön blöd.“
(und mein' damit: dass ich noch bleibe.)
Es ist ja doch wirklich zu dumm. Und öd.
Ich weiß nicht, was ich hier treibe.

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär',
das offenbar nie sich klärt.
Denn wenn ich es ansprechen will, bist du sehr
...beschäftigt ...und in dich gekehrt.

Ich stehe und schau die Fassaden entlang:
Altwiener Gründerzeit.
Masken und Fratzen (fröhlich und bang)
von Abgasen gräulich beschneit.

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär'.
Wir waren uns früher so nah!
Verstanden einander vom Innersten her.
Ist davon denn gar nichts mehr da?

Ich stehe - mir tun schon die Füße weh -,
betrachte den Fensterwald.
Dort oben! Mir ist 's, als ob ich dich seh!
Verflucht, dieser harte Asphalt.

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär'!
Ich bin doch nicht hier, um zu schauen,
was du da treibst... mit wem ...oder: wer
mich denn deiner beraubt! O Grauen.

Ich stehe noch immer. Ich komm' nicht vom Fleck.
Du hattest mich herbestellt!
Dann: sahst du mich nicht - und warst plötzlich weg.
Was soll das! Versteh' ich die Welt?

Ach, wenn doch das Missverständnis nicht wär'.
Soll ich 's zu denken mich trauen:
Bestelltest du mich vielleicht gar nicht her?
Du treibst es mit anderen Frauen!

Ich zaud're: Was sagtest du denn zu mir?
Ich weiß doch den Ort und die Zeit!
Du nanntest mir beides - und gingst durch die Tür...
Doch dann gingst du einfach zu weit.

Nicht Missverstehen, Verstehen ist schwer!
Zu zweit kamt Ihr - eng umschlungen -
zum Haustor heraus.
Du sahst zu mir her!
Da hat mich der Boden verschlungen.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Abschied
[1981]

Du träumst dir die Nacht als unentbehrlich
für all deine Lebensgier.
Das macht uns den Alltag so beschwerlich,
denn es entfremdet dich mir.

Ich sorge, du träumst einen anderen Traum,
als ich dir zu leben vermag!
Wo ist denn hier Licht? Ich sehe dich kaum.
Schwach nur dämmert der Tag.

Doch Licht und Finsternis sind eines Gusses,
den keiner zersprengen darf!
Von Liebe weiß nur: wer des wildesten Kusses
ebenso sehnend bedarf...

...wie zärtlichsten Gleichklangs sich einender Seelen
im Kosmos der Zuversicht.
Wer nicht so empfindet, dem muss das doch fehlen!
Ich fürchte, dir fehlt es nicht.

Wie war denn das früher? Sind wir so verschieden
in unserem Lustgewinn?
Vielleicht. Vielleicht nicht. Vielleicht mangels Frieden.
Vielleicht aber auch ohne Sinn.

Gemeinsam Erlebbares starb. Oder stob
in Richtungen, die wir nicht kennen.
Berührung ist nur noch verbal. Und grob!
Ich könnte an Kälte verbrennen.

Und brannten wir einst nicht aus anderem Grund?
Aus zärtlichster Neigung und Lust nur!
Prustend stöbert ein schnaubender Mund
Glutnester auf. Doch es rußt nur.


~ ~ ~ * ~ ~ ~