Frühe Liebesgedichte  -  erste Tranche (an G. H.)  -  ab 1971


In Gesellschaft
[1971]

Oft wenn viele Menschen um uns stehen
und du deinen Blick von ihnen wendest,
ihn mir wie in heimlichem Verstehen
tief hinab in mein Verlangen sendest...

...wenn die Worte rings um uns verblassen
und wir nur noch unser Schweigen lesen,
stumm/beredt einander zart erfassen,
wie von aller Schuld und Angst genesen...

...wenn du unauffällig, scheinbar flüchtig
deinen Arm zu mir herüber biegst,
zärtlich - und nicht minder eigensüchtig -
dich und mich in frohe Schauder wiegst...

...ach wenn nur die Menschen da nicht wären!
Oder irritiert mich mein Gefühl?
Wie mich deine Augen doch betören!
Ist dein Tändeln etwa nur ein Spiel?

Später, wenn ich unter deinen Händen
meinen Körper an den deinen schmiege,
tastend, bis die Sinne sich vollenden:
leugne ich die Existenz der Lüge!


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Nimm mich
[1971]

Ich gäbe dir gerne von meinem Leben,
wenn 's teilbar wäre, das größere Stück.
Es ist nicht teilbar. So nimm mich eben
oder gib mich mir ganz zurück!


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Geständnis der Liebe
[1971]

Die Wiederholbarkeit eines Erlebnisses
begründet keineswegs
die Wiederholbarkeit der Empfindung.

Liebe ist nur ein Augenblick!
Das Geständnis der Liebe
kommt einer Lüge gleich.


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Früher
[1972]

Früher dachte ich oft mit Beckett:
„Ich wollte, dass meine Liebe stürbe,
und dass es regnet auf den Friedhof
und in die Gassen, wo ich gehe,
jenen beweinend, der mich zu lieben glaubte“
,
doch denke ich es nicht mehr...
Meine Liebe ist tot. Ich begrub sie,
als ich ihrer noch bedurft hätte.


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Auch du
[1972]

Was weißt denn du vom Sehnen,
vom Träumen und Wiedererwachen -
vom schmerzlichen Reichtum auf Erden?

Auch du bist einer von jenen,
die plötzlich einmal mein Lachen
nicht mehr verstehen werden.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Verlust des Geliebten
[1972]

Es war einmal
ein Anklang an Empfindung auch in mir.
Drum glaube ich,
ich hätte dich gewiss sehr lieb gehabt.
Aber der Wind hat den
Samen der Seele verweht.

Man sagt, im Lenz
blüht alles auf, was da lebendig ist.
Jedoch wer weiß,
wie weit der Tod hineinreicht in das Leben?
Knorriger, alter Baum,
aber du hast ja gelebt!


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Maßstab
[1972]

Frag dein Gewissen (das du oft belügst!),
ob es nicht deiner überdrüssig sei.
Es wird dir sagen, - dass du ihm genügst!

Doch mich frag nicht, ob ich dir trauen kann.
Ich liebe dich. Und wahre Lieb macht frei!
Drum lege ich den Maßstab höher an.


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Missverständnisse
[1972]

Wie weiche ich dem Missverständnis aus?
Wie sage ich das Unverstandene neu?
Wie mache ich das Unsagbare endlich
doch verständlich?

Durch Liebe ist es offenbar vergebens.
Durch Überredungskunst wird es nicht wahr!
Durch Schweigen aber setzt es sich ins Unrecht
und wird unecht.

Wie schaffe ich es bloß, mir treu zu bleiben,
und mich dabei dir dennoch anzueignen?
Dem Manne untertan sein, muss das sein?
Ich meine: Nein!

Ich will - dir ebenbürtig - liebend leben:
einander wertschätzend den Alltag teilen!
Doch wie das geht? Wir wissen 's nicht genau.
Ich fühl mich flau.

Ich weine viel - und will es dir nicht zeigen.
Ich hoffe stets, du würdest es erkennen!
Wo aber führt es hin, das Nicht-Verstehen?
Ich werde gehen.


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Empfindungen
[1973]

Da wird plötzlich ein kaum gekanntes Gefühl real.
Eine Atmosphäre wie von Morgensonne
und von frisch gemähtem Gras
erfüllt dich in so hohem Maße,
dass du kaum genügend Kraft hast, glücklich zu sein!

Das ist Liebe. Du glaubst, weinen zu müssen,
und bist dabei ekstatisch froh und heiter.
Aus dem Gefühl der erlebten Zweisamkeit
ersteht dir ein unbegreifliches „du bist! “,
und eine kaum geahnte Gleichgültigkeit zum kleinen
egoistischen Glück lässt dich die Demut erkennen.

Was ist Demut? Ist Demut nicht Schwäche, Unvermögen?
Nein. Sie ist die Bereitschaft, alle Kraft der Sonne,
die der Erde zufließt, aufzusaugen und zu speichern!
Wärst du die Erde selbst: du müsstest tragen.
Wärst du der Himmel, wärst du grenzenlos.
Wärst du ein Baum, so müsstest du dazwischen stehen
und einfach wachsen, blühn und Früchte treiben.

Du bist ein Mensch. Natürlich fragst du viel,
und deine Seele ist die Sammelstätte
von gut und schlecht und kaum gekanntem Sein...
Nur manchmal - wenn der Raum unendlich weit wird,
die Zeit sich ihm vereint und stille steht -
berührt uns etwas, das wir „ewig“ nennen.
Und dieses Unbekannte, Unvorstellbare
ist unserem Empfinden dennoch ein unverrückbares Maß.


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Dass ich dir nicht gehören kann
[1973]

Dass ich dir nicht gehören kann, ist: ich
gehöre dem Leben - und ihm gehöre ich ganz!
Zwar glaube ich manches Mal, dass ich doch
einmal zu dir überlaufen werde
irgendwann. Doch fürchte ich, du
bist nicht mächtig genug, mich an dich zu binden.


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Tränenden Herzens (1)
[1974]

Tränenden Herzens findet die Liebe manchmal zurück
in die Zuversicht ihres ersten Vertrauens.
Doch nicht durch wehmütige Erinnerungen
finden wir zu den Anfängen unseres Empfindens.
Uns treibt ein Urgesetz des Lebens: Kraft.

In der Tiefe unserer Sinne brodelt ihr mächtiger Strom.
Er nährt sich aus sich selbst, wächst und verändert sich
und uns. - Wenn er zu nah an die verkrustete,
oft und schlecht vernarbte Oberfläche gerät, platzt sie,
bricht auf und wird zur weit klaffenden Wunde.

Aber nur selten bricht der Vulkan aus. Meist
liegt bloß eine drückende Hitze auf uns, dass uns
vor Augen flimmert... Längst verblichene Phantasien
schlüpfen wieder in Gestalt und betören unsere
wunden Sinne mit trügerischen Spiegelungen.


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Tränenden Herzens (2)
[1974]

Tränenden Herzens findet die Liebe manchmal zurück
in die Zuversicht ihres ersten Vertrauens.
Längst verblichene Phantasien des Hoffens
schlüpfen wieder in Gestalt und betören unsere
überspannten Sinne mit trügerischen Spiegelungen.

Aus diesen schemenhaften Träumereien (sind es
wirklich nur Fata Morganen des hitzigen Gemüts?)
lesen wir deutlich: Gewissheit! Was ist denn die Liebe?
Ist das nicht Sehnsucht nach einem Frieden, den man
mit allen Sinnen spüren kann, hautnah?

Liebe kann zwingen. Aber nur ohne Waffen!
Leider vergessen wir das allzu oft.
Du, weil du nicht mehr an die Liebe glaubst.
Und ich - will manchmal die Strategin spielen.
So finden wir uns immer wieder im Krieg.


~ ~ ~ * ~ ~ ~