Quodlibet zum Thema „Wirklichkeit“  -  Rupert Riedl zugeeignet, 1997


Wirklichkeiten

Wenn wir nach der grauen Vorzeit fahnden
und uns an den Funden delektieren
(weil wir, wenn wir Überreste fanden,
hoffen, „Wirklichkeiten“ zu sezieren),
glauben wir zu sehn, wie wir entstanden...
Doch wir sollten uns vor Augen führen:
uns ist nur der Mesokosmos sichtbar,
und ein letzter Schluss ist nicht errichtbar.


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Wie wirkt Wirklichkeit?

Wirklichkeit ist nicht, wie wir oft meinen,
etwas, das uns einfach so umgibt.
All das, was da rundum Wirkung übt,
lässt sich kaum in ein System vereinen.

Welten kumulieren! Und zur „einen
Welt“ wird (vom Betrachter ausgesiebt),
was sich ihm in sein Bewusstsein schiebt;
wolle es ihm auch als Traum erscheinen.

Nichts kommt „von außen“. (Nicht einmal der Tod!)
Drum ist es müßig, Furcht und Angst zu haben.
Kein „blindes Schicksal“ bricht auf uns herein:

wir wirken es! Und wir sind erst im Lot,
wenn wir den starren Unverstand begraben,
die Welt zu spalten zwischen „Tun“ und „Sein“.


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Rechte und Pfichten

„Frieden“ ist das Seelen-Gleichgewicht:
sich nicht schmälernd, andere(s) zu ehren...
Die Natur braucht solche Regeln nicht,
um als „Mitwelt“ wirksam zu verkehren!
Erst der Mensch erschuf sich „Recht“ und „Pflicht“
- und die Freiheit, beides umzukehren!
So erwuchs aus Rechtsbegriffen: Macht.
Bis das offene System zerkracht.


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Ist Menschlichkeit vertan?

„Zukunft“ ist, was zu uns kommen wird.
Sagt man auch „Mag kommen, was da wolle“,
es wird unser sein, auf unsrer Scholle!
Wer hat Angst, was sich daraus gebiert?

Gentechnische Machbarkeit verspürt
Lust auf Neues. Auf dass „leben“ solle,
was sie könne - und somit auch wolle!
Ganz egal, wohin uns solches führt?

Leider. Mangels psychischen Vermögens
scheint es wirklich ganz egal zu sein,
was die Welt aus ihrer Zukunft macht.

Freilich ist der Mensch der Erde Regens.
Doch befähigte ihn einst allein
Menschlichkeit! Nicht disjunktive Macht.


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Lebenskraft und freier Wille

Lebenskraft bereichert uns mental
mehr, als wir mit Worten jemals sagen!
(Dem Verstande steht es nicht zur Wahl,
ihn Bedingendes zu hinterfragen.)
 L e b e n  heißt vielmehr: unendlichmal
unbegrenzte Kraft in sich zu tragen!
Was kann da ein „freier Wille“ wählen?
Höchstens, Grenzen suchend, sich zu quälen.


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Maß des menschlichen Verstands

Das „Maß des Lebens“ ist: sein eigner Gang.
Denn nicht wir Menschen planen unser Sein,
wir planen nur Details! Und hinterdrein
macht uns so manche Fehlentwicklung bang.

Uns fehlt der feinsinnige Übergang
vom „Wollen“ zum „Begreifen“... Mag ja sein,
wir wissen isolierend viel! Doch ein
zerteiltes Wissen macht die Erde krank.

Solch ein „Verstand“ ist nicht das rechte Maß,
mit dem das Leben sich zum Besten fügt.
Der Arten Vielfalt sollte überleben!

Wo führt ein Wachstum hin, das das vergaß?
Speziell, wenn sein Betreiber wissend lügt,
indem er ablehnt, Rechenschaft zu geben.


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Was Sprache uns vermag

So wie wir (heute) „Werte“ frei bestimmen,
verfahren wir (vermeintlich zeitgemäß)
mit „Worten“ auch... Lässt sich die Sprache trimmen?
Birgt dieses alte, kluge Denk-Gefäß
nicht einen Zweck im Klang der Menschenstimmen?
Seit alters her bewirkt sie „Sinniges“!
Umwandelnd Körperliches (aus der Quelle
der Sinne) formt sie Sinn für Geist und Seele!


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Virtuelles

Das Virtuelle ist - im Psychogramm -
ein „Leben, das nicht lebt“. Ist Unbeseeltes.
Trotz seiner Irrealfunktionen stellt es
sich aber dar, als leb es wundersam.

Wie irrt der Mensch! Nicht „neues Leben“ kam
in diese Welt (vom Leben ausgewähltes),
hier wirkt ein auf die Sinne hingequältes,
nicht sinnlich mitgeteiltes Seins-Engramm!

Ein Trugbild hat uns da in seinem Bann,
das sicher nicht von selber weiß, wann Zeit ist,
das Spiel zu stoppen und den Spuk zu enden!

Doch leider ist, was wie ein Spiel begann,
indem es zur Reproduktion bereit ist,
auch „Wirklichkeit“! Und kaum noch abzuwenden.


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Verstand oder Vernunft

Was macht der Verstand? Er heißt uns suchen.
Und wir denken, alles zu entwirren!
Sind dann Fehlentwicklungen zu buchen,
staunen wir (anzweifelnd, uns zu irren).
Das weckt Heere von Gehirn-Eunuchen!
Denen ist - im blinden Konkurrieren -
jedes Mittel recht, das übertrumpft.
Seither steht Verstand über Vernunft.


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Wo menschliches Empfinden fehlt

Positives Denken täte Not;
doch es braucht viel Kraft, sich durchzuringen.
„Positives Fühlen“ aufzubringen,
wäre nämlich dessen Grundgebot!

Zwar, wir fühlen immer - bis zum Tod.
(Unser Sehnen ist nicht umzubringen.)
Nur: Es will uns gar so schwer gelingen,
fühlend zu verstehen! Dieser „Code“,

den Empfindungen uns sagen sollen
(weil sie uns doch ihr Verständnis geben),
findet kaum noch sinnvollen Gebrauch.

Menschen wissen kaum noch, was sie wollen.
Denkend missverstehen sie das Leben!
Resultat: Sie sind gefühllos auch.


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Ziele

All unser Streben zielt auf „Wertigkeiten“.
Denn wir verfolgen, was erfolgreich sei.
Doch wir vergessen, dass uns Werte leiten,
weil Werte Wege sind. (Ganz zielgetreu!)
Und so verplanen wir uns „Wirklichkeiten“
zum Labyrinth (am Lebensplan vorbei),
statt Wirklichkeit im Werden aufzufassen,
und uns - kraft dessen Wirken - loszulassen!


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Alterungsprozess

Am Zenit des Lebens überstrahlt
eines Menschen Sein (das ohne Mühen
sich erwuchs, um prächtig aufzublühen)
alle Last, die diesem Werden galt.

Altern ändert das. (Oft mit Gewalt.)
Dann - im Haushalten von Energien -
schätzt man erst das unbewusste Sprühen
jugendlicher Kraft! Doch man wird alt...

Geht 's nicht so der alten Erde auch?
Üppig war sie einst und reich geziert!
Nun geht all ihr Überfluss zur Neige.

Die Ressourcen steigen auf in Rauch.
Zeit wär 's, dass sie sich regeneriert!
Menschen hindern das; korrupt und feige.


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Gesetze des Wachstums

„Wachstum“ ist das, was es tut: es mehrt sich.
(Wenn 's an Grenzen stößt, wir sind nicht schuld!)
Doch ein „lineares Wachstum“ kehrt sich
einmal um und crasht! Auch wenn es buhlt
um Vorrang und Erfolg. Erfolg verjährt sich!
Drum dient „der Fortschritt“ uns nur schlecht als Kult.
Ein offenes System wie Leben spürte,
wohin Wirklichkeit im Wandel führte.


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Vom Ursprung der Seele

Weil Kräfte eine Richtung in sich tragen
und sie daher gerichtet wirken müssen,
kann auch der Mensch (kraft seiner Sprache) schließen,
was „richtig“ sei; in allen Lebenslagen.

Schon unbewusst nach der Moral zu fragen,
ist kollektives Erbe: als Gewissen.
Die Sprache ist dem vorbewussten Wissen
nur aufgesetzt, um deutend auszusagen.

Bedeutet der Begriff von „Gott“ ein „gutes“
(ein „wohl gewirktes“) Wirken allen Seins,
sind wir (in jedem Fall!): von diesem Wesen.

Und „strebt“ der Mensch: so „fühlt“ er das - und „tut es“.
(Englisch „to aim“, französisch „âme“ sind eins!)
Daher kann nur  D I E  S E E L E  uns erlösen.


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Moral ist angeboren

Kurz und bündig wird das Ende kommen,
wenn wir unsre Macht nicht retirieren.
„Wachstum“ ist nicht linear! Verkommen
ist es, „Fortschritt“ fort und fort zu führen!
Bremsen müssten wir! Und zu uns kommen,
um den Geist zur Seele rückzuführen!
„Menschlichkeit“ versteht sich nicht nur ethisch:
auch die Moral entstand phylogenetisch!


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Wo führt uns unser Wachstum hin?

Seit der Urzeit haben wir gesagt,
unser Himmel sei vom schönsten Blau!
(Auch wenn Wolken hängen, grau in grau,
sind wir des im Grunde unverzagt.)

Seither hat der Mensch viel hinterfragt...
Doch die Sonne - deren Licht genau
übereinstimmt mit des Auges Bau -
„passt“ zu uns! Das macht: dass sie uns tagt!

So ist alles, was der Mensch erkennt,
dem Erkenntnisrahmen vorgegeben.
Welch ein Reichtum spiegelt sich in ihm!

Doch der neue Herrscher des „blue planet“
flog ins All... So wurden für das Leben
Kälte und Distanz zum Synonym.


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