Zwei Sonette über Sinn und Sprache
[Viktor Frankl zugeeignet, 1996]

1.

Wie arm ist unsre Zeit! Der Mensch erfand,
was - technisch machbar - nun die Welt regiert,
und glaubt (nicht achtend, was draus werden wird),
nun hätte er den Globus in der Hand...

Die Fehlerquelle liegt im Wort „Verstand“.
Sterile Wissenschaftlichkeit verführt
den Denkenden zu leugnen, was er spürt!
Doch wer verstünde, was er nie empfand?!

Gefühle sind in Wahrheit: Regelkreise
in der Natur des Menschen. (Diese Bindung
- die limbischen Vernetzung - braucht er auch!)

Die Sprache liegt darüber. Sie webt weise
ein Netzwerk aus „Verständnis“ und „Empfindung“.
Dem Sinn nach klar! Doch krankt 's am Sprach-Gebrauch.

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2.

Das noogene Vakuum zerfrisst
die Sprache auch. Sie will uns nichts mehr sagen.
Sie gibt uns Antwort, wo wir gar nicht fragen,
und setzt uns Ziele, wo kein Maß mehr ist.

Der Mensch - der kaum noch weiß, was er vermisst -
hat nun die Welt der Mythen und der Sagen
ganz neu vernetzt, von Sachzwängen getragen.
Das ist Kultur, die ihrer selbst vergisst!

Wie aber reagiert das nackte Leben?
Am arg entmenschten Handeln lassen sich
die Umwelt-Defizite rasch ermessen.

Und die Dreifaltigkeit - uns einst gegeben
als geistig-seelisch-körperliches Ich -
zersplittert. Und mit ihr auch: Sinn und Wesen.


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