Was sind Worte für den Menschen?
[ein Diagramm über Fühlen und Denken, 1996]

„Liebe“ ist oft nur ein Wort.
Meist viel zu flüchtig gesprochen.
Stiehlt sie sich heimtückisch fort,
quält uns das ununterbrochen.
Das, was zurückbleibt, verdorrt.
Abgefault bis auf die Knochen
irrt es gespenstisch umher...
Aber ein Wort ist doch mehr!

Lebt es, so gibt es uns Halt!
Das ist nicht nur Fantasie.
Jederlei Wort hat „Gestalt“.
Und wir vertrauen auf sie!
Gäb 's nicht „der Worte Gewalt“,
wären wir Menschen doch nie
Menschen geworden - als Wesen,
die auch ihr Innerstes lesen!

Sagst du mir Worte der Liebe,
weiß ich daher: sie sind wahr!
Wenn mir dies Wissen nicht bliebe,
wär ich des Menschlichsten bar.
Baut nicht der Seele Gefüge
- trotz eventueller Gefahr -
auf ein Vertrauen in Worte?
Sie sind uns Pförtner und Pforte.

Einlass gewährend verlangen
innerste menschliche Triebe
(immer bereit zu empfangen),
dass ihnen Antwort verbliebe!
Einweggefühle erlangen
Einsamkeit nur, niemals Liebe!
Ist nicht die sehnende Seele
gierig auf zarte Befehle?

Worte verpflichten daher.
Freudig verpfänden sie sich!
Sie schaffen jenen Transfer
zwischen dem Du und dem Ich,
der - durch der Seele Gewähr -
glaubhaft (auch dich dann und mich)
Menschen zur Einheit verschweißt!
Fühlend verschmolzen im Geist.

Selbstreflektierend erfuhren
Menschen den Geist, voll des Lichts!
„Worte“ sind ihm Kreaturen!
Leblos vermögen sie nichts.
Gingen sie um wie Lemuren,
schweigenden Angesichts,
gäb es kein Kommunizieren!
Angst würde uns isolieren.

Geistiges hilft uns zu spüren,
dort, wo Instinkte verstummten.
Und es vermag uns zu führen.
(Wohl auch, um die uns vermummten
Triebe zu substituieren.)
Ziele - an 's Denken gebunden -
sind nun (der Art angepasst)
deutlich in Worte gefasst!

So schuf der Geist das Verstehen.
(Jenes Konstrukt eines Baus,
den wir, im Wenden und Drehen,
anschaulich sehn - wie ein Haus.)
„Mit dem Verstande zu sehen“,
hob uns vom Tierreich heraus.
Doch die (des Tierreichs) Erfindung
braucht ganz genauso die Bindung!

Anders kann Geistiges nie
wert und erstrebenswert sein!
Geist (sei er auch voll Genie)
lässt uns unmenschlich allein,
wenn er - als fait accompli -
Wissen erzeugt, das mit Pein
kaum noch verstehbar ist. Worte
kommen nicht aus der Retorte!

Sprache entstand aus dem „Du“.
Ich-fühlend teilt sie sich mit.
Emotional? Immerzu!
Doch um Verständnis bemüht!
Lässt ein Verstand dies nicht zu,
kappt er des Geistes Transit.
Deshalb sind (streng und penibel)
WORT und GEFÜHL kompatibel.


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