Der Wortgeist oder „Sprache - Bedeutung - Sinn“
[Thema mit Variationen, 1992]
Thema: „Sprache“
Lang vor der Zeit, als Dichter sangen,
in Büchern nachzulesen,
wurden schon Bilder eingefangen
und streng am Klang vermessen.
Gefühle - instinktiv gestaltet -
bekamen ein Gesicht!
Aus purer Lebenskraft entfaltet'
ein Wortgeist sein „Gedicht“.
Er hat uns, flatternden Gewands,
manch Sinnbild dargebracht;
und dies Gespinst trägt uns nun ganz:
Die Sprache ward gemacht.
Ihr integrales Urverstehen
ist vorgeprägt vom Sein!
Muss die Mechanik, es zu sehen,
nicht reflektorisch sein?
So wuchs der Sprachschatz fort und fort,
des Menschen höchstes Gut.
Seit je beseelte jedes Wort
ein Geist aus Fleisch und Blut!
Nun ist er tot... oder doch fast.
Wir tragen eine schwere Last:
Diskommunikation.
Die Menschen rennen blind vor Hast,
seit „das Begreifliche“ verblasst,
dem eignen Geist davon.
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1. Variation: „Bedeutung“
Ist heut noch wer, der Sprache ehrt,
für Worte sich begeistert?
Wie schnell ist doch die Kunst verjährt
und die Kultur entgeistert!
Doch ohne Seele (ohne Geist,
der auf das Wesen sieht)
ist bald, was menschlich sei, verwaist!
Und alles wird hybrid.
Sogar die Sprache. Sie verlor
den Zugang zum Gemüt.
Sie kehrt schon lang nicht mehr hervor,
was insgeheim erblüht.
Seit jeher formte doch ihr Klang
ein sinnhaftes: „Erzähle!“
Der Menschen Worte Ur-Gesang
kommt aus dem Grund der Seele.
Des Worts Bedeutung ist sein Ziel
(um so Impuls zu sein)!
Begriffe deuten das Gefühl!
Ein pures „Wissen“ zählt nicht viel,
wär nicht Gewissen drein!
Das Ur-Gewissen in der Sprache
- das dem Verstehen dient -
will: dass man sich Gedanken mache.
Und das entspringt der Ur-Ursache:
nach innen „schaut“, wer sinnt.
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2. Variation: „Sinn“
Des Sinnerfüllten Wirkung (die
Jahrtausende durchlief)
verwirklichte uns: Phantasie
und Klarheit im Begriff.
So schuf das Wort den Menschen! (Nicht
bloß religiös vermutet.)
Der Mensch - und alles, was er spricht -
ist bilderüberflutet
aus einer Zeit, bevor er war,
was er geworden ist!
Begriffe stellen Kürzel dar;
ihr Inhalt aber fließt.
So sagt die Sprachbedeutung: Fühlt!
Seid euren Sinnen nah!
Verstand, der einen Sinn erfüllt,
muss spüren, was er sah!
Will jedes Wort nicht dem obwalten,
das in ererbten Wortgestalten
seit Anbeginn drin webt?
Wir müssen diesen Geist erhalten!
„Begriffe“ können nur verwalten,
was in der Sprache lebt.
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