Vermischte Gedichte  -  zum Thema „Sprache“, „Evolution“ und „Sinn“, 1971 - 1996


Verluste
[1971]

Es wächst dir immer etwas zu.
Was auch geschieht, es ist ein stetes Wachsen!
Schwer zu begreifen, dass auch
persönlich als tragisch empfundene Verluste
Zuwachs bedeuten sollen.

Menschliche Tragödien
scheinen diese Erkenntnis Lügen zu strafen.
Obwohl wir wissen, dass Wachstum
(das ja der Verjüngung unterliegt)
den Tod bereits in sich trägt.

Das, was wir gern das „Schicksal“ nennen,
gehorcht der nämlichen Ordnung, die alles umfasst,
was lebt auf dieser Erde:
Junge, neue, erst zaghaft wachsende Triebe
werfen das Alte ab.

Wie schön sind doch die Jahreszeiten!
Zeigen sie nicht die changierende Vielfalt des Werdens?
Und ebenso - wenn auch mit Schmerzen -
haben wir den Reigen der Generationen
anzuerkennen gelernt.

Nur im persönlichen Schicksal, da
rechnen wir Verluste und Verzichte
nach arithmetischem Muster:
Ein Verlust wird behände ins Minus gesetzt;
und Verzicht zählt als Manko.

Wie leicht lässt sich auf diese Art
die ohnedies leicht zu kränkende Eitelkeit schüren!
Und eine mögliche Einsicht
ins übergeordnete, allumfassende Werden
der Welt erstickt im Keim.


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Zeitenwenden wenden Zeiten
[1971]

Im Grunde führen uns unsere Träume
nie in ein fremdes Land,
nur in verstaubte Hinterräume
und Kellergewölbe, ganz geheime,
aus eigenem Bestand.

Was da in Truhen verschlossen liegt,
hat längst seinen Dienst getan.
Doch es ist unser! (Eitelkeit siegt,
filtert Vergangenes, gaukelt und lügt,
fasst uns nostalgisch an.)

Verblichen, zerborsten, oft modrig schon,
wir sehen nur seinen Glanz!
Im Weihrauch erhebt sich, erst flüsternd, ein Ton,
blüht auf dann zum schwatzhaften Spiel der Vision!
Reales verschwindet ganz.

So wird im Erinnern an frühere Zeiten
Vergangenes mystisch verehrt.
Wie wollen wir da denn die Zukunft bestreiten,
wenn Wirklichkeitsräume uns flirrend entgleiten,
weil Nostalgie uns betört?!

Gewiss, der Reichtum gelebter Erfahrung,
der ist mit Recht zu genießen!
Doch braucht' s auch Bereitschaft für neue Erfahrung,
für Wandel und Umformung (statt für Bewahrung),
um mit dem Leben zu fließen.


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Innere Weite
[1973]

Da wird plötzlich ein kaum gekanntes Gefühl real.
Eine Atmosphäre wie von Morgensonne
und von frisch gemähtem Gras
erfüllt dich in so hohem Maße,
dass du kaum genügend Kraft hast, glücklich zu sein!

Das ist Liebe. Du glaubst, weinen zu müssen,
und bist dabei ekstatisch froh und heiter.
Aus dem Gefühl der erlebten Zweisamkeit
ersteht dir ein unbegreifliches „du bist! “,
und eine kaum geahnte Gleichgültigkeit zum kleinen
egoistischen Glück lässt dich die Demut erkennen.

Was ist Demut? Ist Demut nicht Schwäche, Unvermögen?
Nein. Sie ist die Bereitschaft, alle Kraft der Sonne,
die der Erde zufließt, aufzusaugen und zu speichern!
Wärst du die Erde selbst: du müsstest tragen.
Wärst du der Himmel, wärst du grenzenlos.
Wärst du ein Baum, so müsstest du dazwischen stehen
und einfach wachsen, blühn und Früchte treiben.

Du bist ein Mensch. Natürlich fragst du viel,
und deine Seele ist die Sammelstätte
von gut und schlecht und kaum gekanntem Sein...
Nur manchmal - wenn der Raum unendlich weit wird,
die Zeit sich ihm vereint und stille steht -
berührt uns etwas, das wir „ewig“ nennen.
Und dieses Unbekannte, Unvorstellbare
ist unserem Empfinden ein unverrückbares Maß.


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Liebesabenteuer
[1974]

Wer stürzt sich nicht in Liebesabenteuer
und sieht mit Schrecken: bald verglimmt ihr Feuer.
Selbst in den ungestümt'sten Varianten
verlischt die Glut. Ein Hauch, und sie verbrannten.

Vermutlich hat das Misstrauen uns geprägt.
Doch wer hat es in uns hineingelegt?
Wir nehmen immer nur. Und wir zerstören
sowohl uns selbst als auch, die wir begehren.

Als hätten wir es nicht gelern zu fühlen.
Und das kaschieren wir mit Liebesspielen,
die unsre Seelen immer neu gefährden.
Kann dieser Kreislauf nicht durchbrochen werden?

Sich einfach vorbehaltlos hinzugeben,
ganz ohne Frust zu lieben und zu leben,
das wär' das Schönste! Denn mit Sicherheit:
Befriedigung ist nicht Zufriedenheit!


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Babylon
[eine Ballade des inneren Lebens, 1991]

Das Wort ist ein Gebilde ohnegleichen!
Man kann es vage der Musik vergleichen,
die zwar mit Tönen spielt, doch uns betört
nicht nur der Klang, den unser Ohr erfährt,

uns reizt die sphärische Erwartungshaltung
für Gleichklang, Aufbau, Harmonieentfaltung,
für Rhythmus, Melodie, Geräusch und Tanz,
ja selbst für nichtkonforme Dissonanz.

Musik ist uns im Innern vorgegeben.
Wir hören sie, indem wir sie erleben.
Wir spüren sie! Vergleichbar einem Sehnen,
in dem wir uns getrost geborgen wähnen.

So hören wir Musik - wenngleich von außen -
aus uns heraus. Oft hören wir die Pausen
viel deutlicher als die Kulmination!
Denn Kraft und Spannung misst sich nicht in Phon.

In Wahrheit lauschen wir der Energie.
Musik erfüllt uns (ungeachtet, wie
sie zu uns kommt: sich fortpflanzt mittels Welle).
Wir „hören“ durch die Redundanz der Seele!

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So auch im Wort. Nicht Zungen sprechen Sprachen,
der Körper spricht! Wir hüsteln, zwinkern, lachen,
verstecken die Empfindung, machen Miene,
agieren mit beredter Pantomime.

Jedoch wir lügen auf jedwede Weise!
Denn leider, etwas unterwandert leise
die uns vererbte Kommunikation.
(Wie lange ist es noch bis Babylon?)

Integer ist die Sprache längst nicht mehr.
Der Körper wäre weitaus ehrlicher!
Seit aber „die Natur in uns“ verblasst
(die sui generis sich selbst erfasst),

verliert der Mensch in letzter Konsequenz
das „Selbst-Verständnis“ seiner Existenz!
Denn Leben, wie es aus sich selbst entsteht,
das wüsste ja, wie es sich selbst versteht!

Der Mensch indessen, der dies untergräbt
und Wissen über die Empfindung hebt,
denaturiert Gefühle und Verstand.
Umwelt und Mitmensch sterben Hand in Hand.

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Hier ist das Wort nun der Musik vergleichbar:
Die Kommunikation ist nur erreichbar
mit Intuition, denn die macht sie lebendig.
Nicht erst die Logik macht das Wort „verständig“.

Sind nicht - seit Urzeiten - der Dichter Werke
voll sinnstiftender, schöpferischer Stärke?!
Und selbst das Alltagswort (im Sprachgebrauch)
ist weise: es verbindet Kopf und Bauch.

Die SPRACHE ist das erste Artefakt,
das Menschen schufen (Affen noch und nackt).
Wie kam es, dass wir dieses Erbe schmähen?
Es war so reich! Wir konnten uns verstehen!

Das Biotop der Seele ist bedroht.
In Teufelskreisen zirkuliert die Not...
Und wir, als wären wir dagegen machtlos.
sind unbedarft und unnachahmlich achtlos.

Das taube Wort, es macht uns letztlich stumm;
und Bildung - ohne Herzensbildung - dumm.
High Tech und Forschung, Politik und Rechte,
was einst Kultur hieß: inzestuöse Mächte!

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Wohl wächst das Wissenskonvolut beständig.
Doch nur fakultativ (und„sach-verständig“)
sind immer kleinere Details benennbar!
Ist so denn das Mysterium erkennbar?

Der Kosmos wird mit dieser Art „Erkenntnis“
nie menschlich messbar sein! Sein Selbstverständnis
verwebt das „Tun“ im „Sein“ - und zwar global;
wie „Zeit und Raum“, „Vergänglichkeit und All“.

Und alles (mag es auch vergangen sein)
ist Teil von dieser Existenz! Allein
der Mensch - und hierin ist er unzulänglich -
befürchtet voller Angst, er sei „vergänglich“.

Tatsächlich ist, was immer war und wird,
nicht etwas, das sich irgendwann verliert...
Als Teil des Daseins IST es „existent“!
Der Mensch braucht Mythen, dass er dies erkennt.

Sind keine da, lässt er das Fragen ruh'n
und misst (im Fortschrittsglauben) nur sein „Tun“.
Doch solch ein Schaffen ist nicht integriert
im Weltenplan. Was wohl draus werden wird?

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Die Wissenschaft misst immer nur: Aktion,
niemals den ganzen Fluss. (Der fließt davon...)
Und weil sie fragt und forscht, wie alles wird,
ist „Werden“ symptomatisch definiert.

Doch wie viele Details wir auch erkennen
und Primärwirkungen mit Namen nennen,
der Strom der Zeit, der Werdegang der Welt,
bleibt uneinsehbar auf sich selbst gestellt.

Und wie wir einst den Schöpfer-Gott verbannten
(weil wir Ihn - wissenschaftlich - missverstanden),
so distanzieren wir uns längst auch schon
vom Paradigma Evolution!

Ein präpotentes Wissenschaftsgefüge
erdrückt den Lebensraum. KULTUR ist Lüge!
NATUR besteht nur noch aus Artensterben.
Was bleibt denn da den Kindern zu vererben?

Es bleibt nicht viel, das - seiner Sinne mächtig -
lebendig lebt. Das ist suizidverdächtig.
Homunkulus ist fast Realität.
Und die Betroffenheit, die kommt zu spät.

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Lebendiges wird zunehmend hybrid.
Die Schöpfung stirbt. Die Forschung ist bemüht,
die Löcher, die sie schlug, neu aufzufüllen.
Gleicht Science-Fiction eines Gottes Willen?

Seit wir Hiroshima... Tschernobyl... hatten,
wirft „Mensch-Sein“ einen fürchterlichen Schatten
der potenzierten Schuldkategorie!
Die Erbsünde scheint lässlich gegen sie.

Erfassen wir die Schuld denn, die wir tragen?
Man kann sie nur mit „tauben Worten“ sagen!
...Musik verhallt. ...Noch lauschen wir dem Sänger.
Doch Gottes Schatten werden immer länger.

Gewiss, wir leben gerne! Wenn auch blind.
Und nach wie vor wünscht jeder sich - ein Kind!
Ich hasse pessimistische Gedanken:
Wird mir mein Sohn dereinst sein Leben danken?

Noch freut er sich, dass er am Leben ist.
(Wie schnell sich doch der schwere Alp vergisst.)
Mit Spaß und Frohsinn füllen wir die Tage!
Nicht eingedenk der Überlebensfrage.


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Abstraktes Denken & entmenschtes Fühlen
[Paul Watzlawick zugeeignet, 1992]

Oft genügen ein paar Pinselstriche,
unsre Ansichten zu retuschieren.
Doch die Mitwelt kommt uns auf die Schliche,
wenn wir allzu oft „interpretieren“.

Eine Meinung nämlich ist und bleibt
nur, wenn man sie fühlt, original!
Sie zerfasert, wenn man stets „umschreibt“
und sie so verfälscht von Mal zu Mal.

Jeder spürt doch, was ein andrer denkt!
(Selbst wenn der es nicht in Worte fügt.)
Menschen werden vom Gefühl gelenkt.
Und sie sind gekränkt, wenn einer lügt.

„Denken“ hätte also, wie wir wissen,
dem synchron zu sein, was man empfindet.
Ehrlich wäre das! Doch wird beflissen
medial das Gegenteil verkündet.

Sicher, auch „Information“ erregt.
Doch sie kann die Seele nicht erreichen!
Mitgefühl versickert; lahmgelegt
von Irritationen sondergleichen.

So wird quasi der Alarmbereich
zur Gewohnheit. Und statt wahrzunehmen,
wie die Welt sich - vielschichtig und reich -
mit uns austauscht, sind uns rings nur Schemen...

Zwischen Außenwelt und Innenwelt
funktioniert die Koppelung nicht mehr:
Wo der sensitive Zustrom fehlt,
bleibt der Seele Auffangbecken leer.

„Anonym“ jedoch kann das System
des Miteinanders sich nicht regulieren!
Stirbt die Menschheit akkurat an dem,
sich im Psycho-Dschungel zu verirren?

Denn was einst (im Kopf) abstrakt begann,
führt - im übersteigerten Gebrauch -
zum abstrakten Fühlen! Aber dann
sind „Erkenntnisse“unkenntlich auch.


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Postmoderne Vignetten über den Sinn vom Sinn
[abstraktes Sinngedicht, 1991]

Gedichte
sind
Bilder
von
Träumen,
in
Worten
gemalt.
Verdichten
sich
Blicke
zu
Räumen,
wird
Menschen:
Gestalt!
Die
Sinne
verschaffen
uns
S i n n
und
organischen
Halt.
Ist
heute
nun
(möglicherweise)
die
Menschheit
zu
alt?
Weltweit
wird
radikal
plurales
Wissen
über
uns
ausgestrahlt.
Das
lämt
unsere
Sinne:
tagtäglich
wird
ihnen
Gewalt.
Die
Einbahn
von
blutleeren
Worten
vernichtet
uns
bald.
Längst
sind
Begriffe
und
Bilder
gefühlsleer
und
kalt.
Postmodern
ist
die
Epoche
der
seelenlos
künstlichen
Menschengestalt.


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Der Wortgeist oder „Sprache - Bedeutung - Sinn“
[Thema mit Variationen, 1992]

Thema: „Sprache“

Lang vor der Zeit, als Dichter sangen,
in Büchern nachzulesen,
wurden schon Bilder eingefangen
und streng am Klang vermessen.

Gefühle - instinktiv gestaltet -
bekamen ein Gesicht!
Aus purer Lebenskraft entfaltet'
ein Wortgeist sein „Gedicht“.

Er hat uns, flatternden Gewands,
manch Sinnbild dargebracht -
und dies Gespinst trägt uns nun ganz:
Die SPRACHE ward gemacht.

Ihr integrales Urverstehen
ist vorgeprägt  v o m  S e i n .
(Muss die Mechanik, es zu sehen,
nicht reflektorisch sein?)

So wuchs der Sprachschatz fort und fort,
des Menschen höchstes Gut.
Seit je beseelte jedes Wort
ein Geist aus Fleisch und Blut!

Nun ist er tot... oder doch fast.
Wir tragen eine schwere Last:
Diskommunikation.

Die Menschen rennen blind vor Hast,
seit „das Begreifliche“ verblasst,
dem eignen Geist davon.

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1. Variation: „Bedeutung“

Ist heut noch wer, der Sprache ehrt,
für Wortsinn sich begeistert?
Wie schnell ist diese Kunst verjährt
und Sinnverstehen ent-geistert!

Doch ohne Seele - ohne Geist,
der auf das Wesen sieht -
ist bald, was menschlich sei, verwaist!
Und alles wird hybrid.

Sogar die Sprache. Sie verlor
den Zugang zum Gemüt.
Sie kehrt schon lang nicht mehr hervor,
was insgeheim erblüht.

Seit jeher formte doch ihr Klang
ein sinnhaftes: „Erzähle!“
Der Menschen Worte Ur-Gesang
kommt aus dem Grund der Seele!

Des Worts Bedeutung ist sein Ziel
(um so Impuls zu sein)!
Begriffe deuten das Gefühl!
Ein pures „Wissen“ zählt nicht viel,
wär' nicht Gewissen drein!

Das Ur-Gewissen in der Sprache
- das dem Verstehen dient -
will: dass man sich Gedanken mache.
Und das entspringt der Ur-Ursache:
nach innen „schaut“, wer sinnt.

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2. Variation: „Sinn“

Des Sinnerfüllten Wirkung (die
Jahrtausende durchlief)
verwirklichte uns: Fantasie
und Klarheit im Begriff.

So schuf das Wort den Menschen! (Nicht
bloß religiös vermutet.)
Der Mensch - und alles, was er spricht -
ist bilderüberflutet

aus einer Zeit, bevor er war,
was er geworden ist!
Begriffe stellen Kürzel dar;
ihr Inhalt aber fließt.

So sagt die Sprachbedeutung: Fühlt!
Seid euren Sinnen nah!
Verstand, der einen Sinn erfüllt,
muss spüren, was er sah!

Will jedes Wort nicht dem obwalten,
das in ererbten Wortgestalten
seit Anbeginn drin webt?

Wir müssen diesen Geist erhalten!
„Begriffe“ können nur verwalten,
was in der Sprache lebt.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Zwei Sonette über Sinn, Sprache und Kommunikation
[Viktor Frankl zugeeignet, 1996]

1.
Wie arm ist unsre Zeit! Der Mensch erfand,
was - technisch machbar - nun die Welt regiert,
und glaubt (nicht achtend, was draus werden wird),
nun hätte er den Globus in der Hand...

Die Fehlerquelle liegt im Wort „Verstand“.
Sterile Wissenschaftlichkeit verführt
den Denkenden zu leugnen, was er spürt!
Doch wer verstünde, was er nie empfand?!

Gefühle sind in Wahrheit: Regelkreise
in der Natur des Menschen. (Diese Bindung
- die limbischen Vernetzung - braucht er auch!)

Die Sprache liegt darüber. Sie webt weise
ein Netzwerk aus „Verständnis“ und „Empfindung“!
Das wär' schon klar... Doch krankt 's am Sprachgebrauch.

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2.
Das noogene Vakuum zerfrisst
die Sprache auch. Sie will uns nichts mehr sagen.
Sie gibt uns Antwort, wo wir gar nicht fragen,
und setzt uns Ziele, wo kein Maß mehr ist.

Der Mensch - der kaum noch weiß, was er vermisst -
hat nun die Welt der Mythen und der Sagen
ganz neu vernetzt: von „Sachzwängen“ getragen.
Das ist Kultur, die ihrer selbst vergisst.

Wie aber reagiert das nackte Leben?
Am arg entmenschten Handeln lassen sich
die Umwelt-Defizite rasch ermessen!

Und die Dreifaltigkeit - uns einst gegeben
als geistig-seelisch-körperliches Ich -
verliert an Wirksamkeit für Sinn und Wesen.


~ ~ ~ * ~ ~ ~

Was sind Worte für den Menschen?
[ein Diagramm über Fühlen und Denken, 1996]

„Liebe“ ist oft nur ein Wort.
Meist viel zu flüchtig gesprochen.
Stiehlt sie sich heimtückisch fort,
quält uns das ununterbrochen.
Das was zurückbleibt, verdorrt.
Abgefault bis auf die Knochen
irrt es gespenstisch umher...
Aber ein Wort ist doch mehr!

Lebt es, so gibt es uns Halt!
Das ist nicht nur Fantasie.
Jederlei Wort hat „Gestalt“.
Und wir vertrauen auf sie!
Gäb 's nicht „der Worte Gewalt“,
wären wir Menschen doch nie
Menschen geworden - als Wesen,
die auch ihr Innerstes lesen!

Sagst du mir Worte der Liebe,
weiß ich daher: sie sind wahr!
Wenn mir dies Wissen nicht bliebe,
wär ich des Menschlichsten bar.
Baut nicht der Seele Gefüge
- trotz eventueller Gefahr -
auf ein Vertrauen in Worte?
Sie sind uns Pförtner und Pforte.

Einlass gewährend verlangen
innerste menschliche Triebe
(immer bereit zu empfangen),
dass ihnen Antwort verbliebe!
Einweggefühle erlangen
Einsamkeit nur, niemals Liebe!
Ist nicht die sehnende Seele
gierig auf zarte Befehle?

Worte verpflichten daher.
Freudig verpfänden sie sich!
Sie schaffen jenen Transfer
zwischen dem Du und dem Ich,
der - durch der Seele Gewähr -
glaubhaft (auch dich dann und mich)
Menschen zur Einheit verschweißt!
Fühlend verschmolzen im Geist.

Selbstreflektierend erfuhren
Menschen den Geist, voll des Lichts!
„Worte“ sind ihm Kreaturen!
Leblos vermögen sie nichts.
Gingen sie um wie Lemuren,
schweigenden Angesichts,
gäb es kein Kommunizieren!
Angst würde uns isolieren.

Geistiges hilft uns zu spüren,
dort wo Instinkte verstummten.
Und es vermag uns zu führen.
(Wohl auch, um die uns vermummten
Triebe zu substituieren.)
Ziele - an 's Denken gebunden -
sind nun (der Art angepasst)
deutlich in Worte gefasst!

So schuf der Geist das Verstehen.
(Jenes Konstrukt eines Baus,
den wir, im Wenden und Drehen,
anschaulich sehn - wie ein Haus.)
„Mit dem Verstande zu sehen“,
hob uns vom Tierreich heraus!
Doch die (des Tierreichs) Erfindung
braucht ganz genauso die Bindung.

Anders kann Geistiges nie
wert und erstrebenswert sein!
Geist (sei er auch voll Genie)
lässt uns unmenschlich allein,
wenn er - als fait accompli -
Wissen erzeugt, das mit Pein
kaum noch verstehbar ist. Worte
kommen nicht aus der Retorte!

Sprache entstand aus dem „Du“.
Ich-fühlend teilt sie sich mit.
Emotional? Immerzu!
Doch um Verständnis bemüht!
Lässt ein Verstand dies nicht zu,
kappt das des Geistes Transit.
Deshalb sind (streng und penibel)
WORT und GEFÜHL kompatibel.


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