Vermischte Gedichte - zum Thema „Sprache“, „Evolution“ und „Sinn“, 1991 - 1996
Babylon
[eine Ballade des inneren Lebens, 1991]
Das Wort ist ein Gebilde ohnegleichen!
Man kann es vage der Musik vergleichen,
die zwar mit Tönen spielt, doch uns betört
nicht nur der Klang, den unser Ohr erfährt:
uns reizt die sphärische Erwartungshaltung
für Gleichklang, Aufbau, Harmonieentfaltung,
für Rhythmus, Melodie, Geräusch und Tanz,
ja selbst für nichtkonforme Dissonanz.
Musik ist uns im Innern vorgegeben.
Wir hören sie, indem wir sie erleben.
Wir spüren sie! Vergleichbar einem Sehnen,
in dem wir uns getrost geborgen wähnen.
So hören wir Musik - wenngleich von außen -
aus uns heraus. Oft hören wir die Pausen
viel deutlicher als die Kulmination!
Denn Kraft und Spannung misst sich nicht in Phon.
In Wahrheit lauschen wir der Energie.
Musik erfüllt uns (ungeachtet, wie
sie zu uns kommt: sich fortpflanzt mittels Welle).
Wir „hören“ durch die Redundanz der Seele!
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So auch im Wort. Nicht Zungen sprechen Sprachen,
der Körper spricht! Wir hüsteln, zwinkern, lachen,
verstecken die Empfindung, machen Miene,
agieren mit beredter Pantomime.
Jedoch wir lügen auf jedwede Weise!
Denn leider, etwas unterwandert leise
die uns vererbte Kommunikation.
(Wie lange ist es noch bis Babylon?)
Integer ist die Sprache längst nicht mehr.
Der Körper wäre weitaus ehrlicher!
Seit aber „die Natur in uns“ verblasst
(die sui generis sich selbst erfasst),
verliert der Mensch in letzter Konsequenz
das „Selbst-Verständnis“ seiner Existenz!
Denn Leben, wie es aus sich selbst entsteht,
das wüsste ja, wie es sich selbst versteht!
Der Mensch indessen, der dies untergräbt
und Wissen über die Empfindung hebt,
denaturiert Gefühle und Verstand.
Umwelt und Mitmensch sterben Hand in Hand.
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Hier ist das Wort nun der Musik vergleichbar:
Die Kommunikation ist nur erreichbar
mit Intuition, denn die macht sie lebendig.
Nicht erst die Logik macht das Wort „verständig“.
Sind nicht - seit Urzeiten - der Dichter Werke
voll sinnstiftender, schöpferischer Stärke?!
Und selbst das Alltagswort (im Sprachgebrauch)
kann weise sein, vereint es Kopf und Bauch.
Denn SPRACHE ist das erste Artefakt,
das Menschen schufen (Affen noch und nackt).
Wie kam es, dass wir dieses Erbe schmähen?
Es war so reich! Wir konnten uns verstehen!
Das Biotop der Seele ist bedroht.
In Teufelskreisen zirkuliert die Not...
Und wir, so scheint es, sind dagegen machtlos.
Banausen sind wir! Unnachahmlich achtlos.
Das taube Wort, es macht uns letztlich stumm;
und Bildung - ohne Herzensbildung - dumm.
High Tech und Forschung, Politik und Rechte,
was einst Kultur hieß: inzestuöse Mächte!
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Wohl wächst das Wissenskonvolut beständig.
Doch nur fakultativ (bloß „sach-verständig“)
sind immer kleinere Details benennbar!
Ist so denn das Mysterium erkennbar?
Der Kosmos wird mit dieser Art „Erkenntnis“
nie menschlich messbar sein! Sein Selbstverständnis
verwebt das „Tun“ im „Sein“ - und zwar global;
wie „Zeit und Raum“ - „Vergänglichkeit und All“.
Und alles (mag es auch vergangen sein)
ist Teil von dieser Existenz! Allein
der Mensch - und hierin ist er unzulänglich -
befürchtet voller Angst, er sei vergänglich.
Tatsächlich IST, was immer war und wird,
nicht etwas, das sich „mit der Zeit verliert“.
Es ist in alle Raum-Zeit existent!
Der Mensch braucht Mythen, dass er dies erkennt.
Sind keine da, lässt er das Fragen ruh'n
und misst (im Fortschrittsglauben) nur sein „Tun“.
Doch solch ein Schaffen ist nicht integriert
im Weltenplan. Was wohl draus werden wird?
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Die Wissenschaft misst immer nur: Aktion,
niemals den ganzen Fluss. (Der fließt davon...)
Und weil sie fragt und forscht, wie alles wird,
ist „Werden“ symptomatisch definiert.
Doch wie viele Details wir auch erkennen
und Primärwirkungen mit Namen nennen,
der Strom der Zeit, der Werdegang der Welt,
bleibt uneinsehbar auf sich selbst gestellt.
Und wie wir einst den Schöpfer-Gott verbannten
(weil wir Ihn - wissenschaftlich - missverstanden),
so distanzieren wir uns längst auch schon
vom Paradigma Evolution!
Ein präpotentes Wissenschaftsgefüge
erdrückt den Lebensraum. KULTUR ist Lüge!
NATUR besteht nur noch aus Artensterben.
Was bleibt denn da den Kindern zu vererben?
Es bleibt nicht viel, das - seiner Sinne mächtig -
lebendig lebt. Das ist suizidverdächtig.
Homunkulus ist fast Realität.
Und die Betroffenheit, die kommt zu spät.
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Lebendiges wird zunehmend hybrid.
Die Schöpfung stirbt. Die Forschung ist bemüht,
die Löcher, die sie schlug, neu aufzufüllen.
Gleicht Science-Fiction eines Gottes Willen?
Seit wir Hiroshima... Tschernobyl... hatten,
wirft „Mensch-Sein“ einen fürchterlichen Schatten
der potenzierten Schuldkategorie!
Die Erbsünde scheint lässlich gegen sie.
Erfassen wir die Schuld denn, die wir tragen?
Man kann sie nur mit „tauben Worten“ sagen!
...Musik verhallt. ...Noch lauschen wir dem Sänger.
Doch Gottes Schatten werden immer länger.
Gewiss, wir leben gerne! Wenn auch blind.
Und nach wie vor wünscht jeder sich - ein Kind!
Ich hasse pessimistische Gedanken:
Wird mir mein Sohn dereinst sein Leben danken?
Noch freut er sich, dass er am Leben ist.
(Wie schnell sich doch der schwere Alp vergisst.)
Mit Spaß und Frohsinn füllen wir die Tage!
Nicht eingedenk der Überlebensfrage.
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Postmoderne Vignetten über den Sinn vom Sinn
[abstraktes Sinngedicht, 1991]
sind
Bilder
von
Träumen,
in
Worten
gemalt.
sich
Blicke
zu
Räumen,
wird
Menschen
Gestalt!
Sinne
verschaffen
uns
S i n n
und
organischen
Halt.
heute
nun
möglicherweise
die
Menschheit
zu
alt?
weltweit
wird
radikal
plurales
Wissen
medial
ausgestrahlt.
werden
Begriffe
und
Bilder
gefühlsleer
und
kalt.
quält
unsere
Sinne!
Tagtäglich
wird
ihnen
Gewalt.
Einweg
von
blutleeren
Worten
vernichtet
uns
bald.
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Der Wortgeist oder „Sprache - Bedeutung - Sinn“
[Thema mit Variationen, 1992]
Thema: „Sprache“
Lang vor der Zeit, als Dichter sangen,
in Büchern nachzulesen,
wurden schon Bilder eingefangen
und streng am Klang vermessen.
Gefühle - instinktiv gestaltet -
bekamen ein Gesicht!
Aus purer Lebenskraft entfaltet'
ein Wortgeist sein „Gedicht“.
Er hat uns, flatternden Gewands,
manch Sinnbild dargebracht;
und dies Gespinst trägt uns nun ganz:
Die Sprache ward gemacht.
Ihr integrales Urverstehen
ist vorgeprägt vom Sein!
Muss die Mechanik, es zu sehen,
nicht reflektorisch sein?
So wuchs der Sprachschatz fort und fort,
des Menschen höchstes Gut.
Seit je beseelte jedes Wort
ein Geist aus Fleisch und Blut!
Nun ist er tot... oder doch fast.
Wir tragen eine schwere Last:
Diskommunikation.
Die Menschen rennen blind vor Hast,
seit „das Begreifliche“ verblasst,
dem eignen Geist davon.
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1. Variation: „Bedeutung“
Ist heut noch wer, der Sprache ehrt,
für Worte sich begeistert?
Wie schnell ist doch die Kunst verjährt
und die Kultur entgeistert!
Doch ohne Seele (ohne Geist,
der auf das Wesen sieht)
ist bald, was menschlich sei, verwaist!
Und alles wird hybrid.
Sogar die Sprache. Sie verlor
den Zugang zum Gemüt.
Sie kehrt schon lang nicht mehr hervor,
was insgeheim erblüht.
Seit jeher formte doch ihr Klang
ein sinnhaftes: „Erzähle!“
Der Menschen Worte Ur-Gesang
kommt aus dem Grund der Seele.
Des Worts Bedeutung ist sein Ziel
(um so Impuls zu sein)!
Begriffe deuten das Gefühl!
Ein pures „Wissen“ zählt nicht viel,
wär nicht Gewissen drein!
Das Ur-Gewissen in der Sprache
- das dem Verstehen dient -
will: dass man sich Gedanken mache.
Und das entspringt der Ur-Ursache:
nach innen „schaut“, wer sinnt.
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2. Variation: „Sinn“
Des Sinnerfüllten Wirkung (die
Jahrtausende durchlief)
verwirklichte uns: Phantasie
und Klarheit im Begriff.
So schuf das Wort den Menschen! (Nicht
bloß religiös vermutet.)
Der Mensch - und alles, was er spricht -
ist bilderüberflutet
aus einer Zeit, bevor er war,
was er geworden ist!
Begriffe stellen Kürzel dar;
ihr Inhalt aber fließt.
So sagt die Sprachbedeutung: Fühlt!
Seid euren Sinnen nah!
Verstand, der einen Sinn erfüllt,
muss spüren, was er sah!
Will jedes Wort nicht dem obwalten,
das in ererbten Wortgestalten
seit Anbeginn drin webt?
Wir müssen diesen Geist erhalten!
„Begriffe“ können nur verwalten,
was in der Sprache lebt.
~ ~ ~ * ~ ~ ~
Abstraktes Denken und entmenschtes Fühlen
[Paul Watzlawick zugeeignet, 1992]
Oft genügen ein paar Pinselstriche,
unsre Ansichten zu retuschieren.
Doch die Mitwelt kommt uns auf die Schliche,
wenn wir allzu oft „interpretieren“.
Eine Meinung nämlich ist und bleibt
nur, wenn man sie fühlt, original!
Sie zerfasert, wenn man stets „umschreibt“
und sie so verfälscht von Mal zu Mal.
Jeder spürt doch, was ein andrer denkt!
(Selbst wenn der es nicht in Worte fügt.)
Menschen werden vom Gefühl gelenkt.
Und sie sind gekränkt, wenn einer lügt.
„Denken“ hätte also, wie wir wissen,
dem synchron zu sein, was man empfindet.
Ehrlich wäre das! Doch wird beflissen
medial das Gegenteil verkündet.
Sicher, auch „Information“ erregt.
Doch sie kann die Seele nicht erreichen!
Mitgefühl versickert; lahmgelegt
von Irritationen sondergleichen.
So wird quasi der Alarmbereich
zur Gewohnheit. Und (statt wahrzunehmen,
wie die Welt sich - vielschichtig und reich -
mit uns austauscht) sind uns rings nur Schemen.
Zwischen Außenwelt und Innenwelt
funktioniert die Koppelung nicht mehr:
Wo der sensitive Zustrom fehlt,
bleibt der Seele Auffangbecken leer.
Aber „anonym“ kann das System
uns'res Menschseins sich nicht regulieren!
Stirbt die Menschheit akkurat an dem,
sich im Psycho-Dschungel zu verirren?
Denn was einst (im Kopf) abstrakt begann,
führt im übersteigerten Gebrauch
zum „abstrakten Fühlen!“ Aber dann
sind Erkenntnisse unkenntlich auch.
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Was sind Worte für den Menschen?
[ein Diagramm über Fühlen und Denken, 1996]
„Liebe“ ist oft nur ein Wort.
Meist viel zu flüchtig gesprochen.
Stiehlt sie sich heimtückisch fort,
quält uns das ununterbrochen.
Das, was zurückbleibt, verdorrt.
Abgefault bis auf die Knochen
irrt es gespenstisch umher...
Aber ein Wort ist doch mehr!
Lebt es, so gibt es uns Halt!
Das ist nicht nur Fantasie.
Jederlei Wort hat „Gestalt“.
Und wir vertrauen auf sie!
Gäb 's nicht „der Worte Gewalt“,
wären wir Menschen doch nie
Menschen geworden - als Wesen,
die auch ihr Innerstes lesen!
Sagst du mir Worte der Liebe,
weiß ich daher: sie sind wahr!
Wenn mir dies Wissen nicht bliebe,
wär ich des Menschlichsten bar.
Baut nicht der Seele Gefüge
- trotz eventueller Gefahr -
auf ein Vertrauen in Worte?
Sie sind uns Pförtner und Pforte.
Einlass gewährend verlangen
innerste menschliche Triebe
(immer bereit zu empfangen),
dass ihnen Antwort verbliebe!
Einweggefühle erlangen
Einsamkeit nur, niemals Liebe!
Ist nicht die sehnende Seele
gierig auf zarte Befehle?
Worte verpflichten daher.
Freudig verpfänden sie sich!
Sie schaffen jenen Transfer
zwischen dem Du und dem Ich,
der - durch der Seele Gewähr -
glaubhaft (auch dich dann und mich)
Menschen zur Einheit verschweißt!
Fühlend verschmolzen im Geist.
Selbstreflektierend erfuhren
Menschen den Geist, voll des Lichts!
„Worte“ sind ihm Kreaturen!
Leblos vermögen sie nichts.
Gingen sie um wie Lemuren,
schweigenden Angesichts,
gäb es kein Kommunizieren!
Angst würde uns isolieren.
Geistiges hilft uns zu spüren,
dort, wo Instinkte verstummten.
Und es vermag uns zu führen.
(Wohl auch, um die uns vermummten
Triebe zu substituieren.)
Ziele - an 's Denken gebunden -
sind nun (der Art angepasst)
deutlich in Worte gefasst!
So schuf der Geist das Verstehen.
(Jenes Konstrukt eines Baus,
den wir, im Wenden und Drehen,
anschaulich sehn - wie ein Haus.)
„Mit dem Verstande zu sehen“,
hob uns vom Tierreich heraus.
Doch die (des Tierreichs) Erfindung
braucht ganz genauso die Bindung!
Anders kann Geistiges nie
wert und erstrebenswert sein!
Geist (sei er auch voll Genie)
lässt uns unmenschlich allein,
wenn er - als fait accompli -
Wissen erzeugt, das mit Pein
kaum noch verstehbar ist. Worte
kommen nicht aus der Retorte!
Sprache entstand aus dem „Du“.
Ich-fühlend teilt sie sich mit.
Emotional? Immerzu!
Doch um Verständnis bemüht!
Lässt ein Verstand dies nicht zu,
kappt er des Geistes Transit.
Deshalb sind (streng und penibel)
WORT und GEFÜHL kompatibel.
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Zwei Sonette über Sinn und Sprache
[Viktor Frankl zugeeignet, 1996]
1.
Wie arm ist unsre Zeit! Der Mensch erfand,
was - technisch machbar - nun die Welt regiert,
und glaubt (nicht achtend, was draus werden wird),
nun hätte er den Globus in der Hand...
Die Fehlerquelle liegt im Wort „Verstand“.
Sterile Wissenschaftlichkeit verführt
den Denkenden zu leugnen, was er spürt!
Doch wer verstünde, was er nie empfand?!
Gefühle sind in Wahrheit: Regelkreise
in der Natur des Menschen. (Diese Bindung
- die limbischen Vernetzung - braucht er auch!)
Die Sprache liegt darüber. Sie webt weise
ein Netzwerk aus „Verständnis“ und „Empfindung“.
Dem Sinn nach klar! Doch krankt 's am Sprach-Gebrauch.
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2.
Das noogene Vakuum zerfrisst
die Sprache auch. Sie will uns nichts mehr sagen.
Sie gibt uns Antwort, wo wir gar nicht fragen,
und setzt uns Ziele, wo kein Maß mehr ist.
Der Mensch - der kaum noch weiß, was er vermisst -
hat nun die Welt der Mythen und der Sagen
ganz neu vernetzt, von Sachzwängen getragen.
Das ist Kultur, die ihrer selbst vergisst!
Wie aber reagiert das nackte Leben?
Am arg entmenschten Handeln lassen sich
die Umwelt-Defizite rasch ermessen.
Und die Dreifaltigkeit - uns einst gegeben
als geistig-seelisch-körperliches Ich -
zersplittert. Und mit ihr auch: Sinn und Wesen.
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