Im Angesicht der Scheidung
[posttraumatische Belastungsphase, 2006]
Viel zu unklar sind der Sprache Worte alle,
um „das Gegenteil von Liebe“ auszusagen,
denn das ist nicht Hass. Gewiss, in manchem Falle
folgen Abscheu, Ekel, körperliches Unbehagen
(je nachdem, wie hoch im Streit die Kampflust walle),
doch das Grundgefühl ist eher ein Verzagen.
So, als ob der Boden weggebrochen wäre,
und der Selbstwert abgeknickt, vertan die Ehre.
Etwas nämlich, das mir ganz zu eigen war,
fühl' ich rückhaltlos aus mir herausgerissen.
Arme amputierte Seele, läufst Gefahr,
blutleer hinzusinken und dich tot zu wissen.
Aber können Seelen sterben? - Wär' das wahr,
würd' es „unbeseeltes Leben“ geben müssen!
Doch das suchte man landauf landab vergebens,
denn das widerspräche dem System des Lebens.
Leben i s t beseelt! Autopoietisch schafft
jeder sich sein Ich und seinen Leib. Entfaltet
beides - wenn auch manchmal eine Wunde klafft -
aus dem Reichtum der Gefühle! Ausgestaltet
mit des Lebenswillens purer Lebenskraft.
Dies wird dann sein Selbst, wo seine Seele waltet...
Wie jedoch entsteht dann solch ein tauber Schmerz?
(Volksmund sagt ganz richtig: „ein gebroch'nes Herz“.)
Ist es uns nicht von Natur aus auferlegt,
unsere Gefühle deutlich wahrzunehmen?
Emotionen sollen, was den Leib erregt,
ins Bewusstsein heben! Wenn Gefühle „lähmen“,
wird die Seele unheilträchtig unbewegt.
Und dann ist sie nicht mehr fähig zu erkennen,
was der Liebe dient! Dann droht ihr Untergang.
Mehr an Sehnsucht täte Not, ein Leben lang!
Denn wie sich im Körper Zell' an Zelle schmiegt,
um sich semi-permeabel anzuhaften,
brauchen Menschen es, dass Seel' an Seele liegt,
um einander abzutasten - und es zu verkraften,
wenn ihr Sein Veränderungen unterliegt.
Derart formen Liebesspiele Partnerschaften,
geben Halt und nähren sie mit Zuversicht.
Ohne Nähe wähnt der Mensch, dass er zerbricht...
Wem ein fest geglaubtes Liebesglück entschwindet
- und ihn keine Sinnlichkeit mehr reguliert,
weil sein Körper nur noch Stress erzeugt -, dem mündet
jedes Sehnen nur in Angst und Frust... So wird
- in der Seele wie im Leib - ein Brand entzündet,
der zu ungeheuren Explosionen führt!
Und der Boden liegt noch lange brach, wie tot.
Hier soll wieder Humus werden? Nur mit Not.
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