Ein Reigen aus zwölf Sonetten  -  zur Eigentherapie und Selbsterfahrung, 1999


Im Strom der Zeit

Der Eltern Pflicht (der jedes Kind bedarf)
heißt Menschlichkeit. Seid euren Kindern gnädig
und richtet nicht! Bald seid ihr ihrer ledig.
Dann lasst sie ziehn. Und zügelt nicht zu scharf!

Das Dasein, das auch euch ins Leben warf
(dem Steinwurf gleich ins Wasser), pflanzt sich stetig
in kongruenten Wellen fort... Versteht sich,
dass es konzentrisch ist. Jedoch bedarf

das Wachstum der Erneuerung. Und die
gestaltet individuelle Wesen.
Deren Gesetze sind zwar überkommen,

doch wird von Eltern als auch Kindern nie
das Sein und Werden (am Gefühl gemessen)
als etwas völlig Gleiches wahrgenommen!


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Minderwertigkeit

Der größte Fehler, den ein Elternpaar
(bei aller Liebe, die es fühlt) begeht,
ist, wenn es vor sich selber so dasteht,
als schüfe es, was „recht“ ist oder „wahr“.

Denn das signalisiert dem Kind: Gefahr!
Nicht nur real, wo es um Strafe geht.
Bald glaubt die Psyche (die so leicht missrät),
dass alles, was sie wollte, unrecht war!

So wird der Lebenswille (der am Anfang
ja ungebrochen war!) im Lauf der Zeit,
da er misshandelt wurde, schal und kränklich.

Die Seele aber, Leidensdruck im Anhang,
schützt sich durch Selbstbetrug: sie fühlt kein Leid!
Sie formt es um - und hasst dann unbedenklich.


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Was Liebe wär'

Ererbtes Fehlverhalten prägt meist stark.
Um „elterlich Verdrängtes“ wegzuschieben,
wird 's auch vom Kind verdrängt. Nur Ängste blieben;
und erst die Angstvermeidung zeigt, wie arg.

Wer schon als Kind sein Inneres verbarg
- konditioniert, Gefühle auszusieben -,
wie sollte der sich später selber lieben?
Die kleine Seele wurde nie autark.

Wer Liebe leben will und Menschen ehren,
muss ehrlich zu sich selbst sein! Denn nur wer,
dem Du begegnend, stets er selber blieb,

kann, auch im Ich das Du wahrnehmend, schwören,
dass er den Andern nicht missbraucht! - Doch wär'
das nicht der Liebe eigenstes Prinzip?


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An meinen Vater

Vielleicht im Tode erst verfliegt der Bann,
der manche Menschen knechtet, die sich schinden,
als hätten sie kein Recht auf Wohlbefinden,
freiwillig immer Fremdem untertan.

Vom „Dienst am andern“ stehlen sie sich dann
den Wert, den sie ihn ihrem Selbst nicht finden.
Ihr Motto heißt: sich selbst zu überwinden!
Doch leiden sie ein Leben lang daran.

Die Duldermiene zeigt uns ihr Betrüben,
doch auch Unnahbarkeit! So wehren sie
die Nähe ab, um nicht erdrückt zu werden.

Ihr Stolz geht stumm mit Angst einher - in Schüben
von Depression, gepaart mit Euphorie.
Und niemand kann sie trösten hier auf Erden.


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Sei gütig zu dir selbst

„Der Mensch soll edel sein“ und „Gutes tun“.
Doch darf er nicht in die Gewohnheit flüchten,
sein Ich verleugnend, immer zu verzichten!
Das macht in Summe krank. Und es ist dumm.

Das Leben ist ja niemands Eigentum!
Es wächst... und wird sich immer danach richten,
wie sich 's vernetzt. - Auch in den tiefsten Schichten
fluoresziert ein Licht: verlangt 's nach Ruhm!

Wer gut verankert ist in tiefster Seele,
der hält wohl auch den schwersten Stürmen stand!
Und wem die Basis fehlt, - der stärke sie.

Sei gütig, auch zu dir! Damit nichts fehle.
Und sieh', auf einmal grünt das kargste Land...
Nur ein gespeister Quell erschöpft sich nie.


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Hilfreiche Affirmationen

Von Selbsterniedrigungen löse dich.
Die alte Strategie lass endlich los!
Hab keine Angst, du würdest je zu groß
und wärest anderen dann widerlich.

Stell dich zum Spiegel und betrachte dich.
Magst du dich denn? Sieh hin und sage bloß:
„Ich liebe dich!“ Es hilft dir zweifellos.
Sag: „Ich bin gut.“ (Denk nicht: Wie lächerlich.)

Wenn du in deinem Leben Lob vermisst,
weil and're (und auch du!) dich gerne schmälern,
so bist du selber schuld. Du kannst es lenken!

Du musst nur akzeptieren, wie du bist.
Wenn du dich annimmst, auch mit deinen Fehlern,
dann bist du echt. Nicht selbstverletzend denken!


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Ein klares Ich

Nicht Vater oder Mutter tadle. Jeder
von ihnen hat getan, was er tun musste.
Vielleicht, weil er es nur nicht besser wusste
(wenn es ihn auch dann reuen sollte, später).

Doch alle Mütter sind so, alle Väter.
Sie alle bürden ihre unbewusste
Vergangenheit voll schmerzlicher Verluste
den Kindern auf: Frust und Gezeter.

Du wirst es auch so tun, wenn du nicht Acht hast!
Mach dir so viel bewusst, als irgend möglich,
dass du dein Leiden aufarbeiten mögst!

Frag stets, warum du was mit wem gemacht hast.
Des Lebens Wechselspiel wird erst erträglich
mit einem klaren Ich. Sorg', dass du 's pflegst!


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Das Kind in dir

Sprich niemals negativ, von niemandem,
am wenigsten von dir! Mach dich nicht klein.
So wie du nämlich denkst, so wirst du sein.
Wenn du dich wertschätzt, hast du kein Problem.

Sag nicht, du bist nicht anerkannt. Von wem?
Von dir vielleicht! Und bildest du dir ein,
du könntest vieles nicht? Dann hat der Schein
des Negativen längst in dir System.

Vielleicht hast du als Kind zu sehr gelitten,
hast Angst gehabt, du wärst nicht gut genug.
So konntest du auch nicht erwachsen werden!

Nun ist es Zeit, das Kind in dir zu bitten,
dich endlich freizugeben. Drum sei klug:
mach dir dein Ich versöhnlich zum Gefährten.


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Erwachsen werden

Wenn unbewusste Ängste dich verzehren,
weil du nicht fühlen lerntest, so wie du
erwachsen fühlen solltest, - lass sie zu!
Gesteh sie ein! Vermeid' es, dich zu sperren.

Verdrängst du sie, wirst du dem niemals wehren,
dass du dich unbewusst (und immerzu)
in kindliches Bewusstsein flüchtest! „Ruh
und Sicherheit“ als kindliches Begehren

gehören einer Scheinwelt, die nicht hält!
Erwachsene sind fähig zu agieren,
und können dann auch ihrer Wege gehen.

Nur wer ein Kind bleibt (in der Innenwelt)
wird immer wünschen, jemand soll ihn führen...
und jemand soll ihn mögen... und verstehen...


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Trauerarbeit

Konflikte schüren oftmals Schreckliches.
Sie schließen Leid und Hass und Folter ein.
Doch mit sich selber in Konflikt zu sein,
ist noch viel schlimmer! Es macht manisch bös.

Ist eine Seele jeden Haltes, des
sie doch bedürfte, bar - und kann nicht schrei'n,
dann fühlt sie sich nicht nur, dann ist sie klein!
Und aus Empfindung wird: Empfindungsstress.

Lass deine Tränen fließen! Reiß die Mauer,
die du als Kind gebaut hast, endlich nieder!
Doch hab Geduld, es geht nur Zug um Zug.

Den größten Anteil widme deiner Trauer.
Du hast viel Schmerz verdrängt. Hol ihn dir wieder!
Erleide ihn! Du bist jetzt stark genug.


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Selbstbestimmung

Hast du dein Leben reiflich überlegt?
Hast du den Schmerz all dessen, was dich lang
so fest umklammert hielt, dass du es bang
verdrängen musstest, endlich freigelegt?

Es wird noch lange schmerzen! Aufgeregt
wirst du es oft jonglieren! Gott sei Dank
bist du dir dessen nun bewusst! Verlang'
jetzt nicht von dir, dass sich kein Groll mehr regt.

Auch der tut seins dazu, um Leid und Angst,
sobald sie erst gefühlt sind, umzusetzen
in ein bewusstes, selbstbestimmtes Wollen.

Und das bewirkt, dass du bald nie mehr bangst,
es könnten Situationen dich verletzen,
indem sie dich ganz einfach überrollen.


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Selbstbewusstsein

Freu dich des Tags, an dem du endlich weißt,
dass das, was dir als „Außenwelt“ erscheint,
sich eigentlich in dir zur „Welt“ vereint,
die - ganz natürlich - um dein Ego kreist.

Denn du nimmst wahr und fühlst - und du beweist
hernach gedanklich, was dir wahr erscheint!
(Ist es auch längst in dir vorausgemeint.)
So wie die Seele lenkt, so denkt der Geist!

Drum liebe dich. Erlaub' deinen Gefühlen,
auch ihre schwachen Stellen zu erkennen,
und schäm' dich nicht dafür, dass du sie hast!

Die Welt als etwas Ganzes zu enthüllen,
braucht es den Schritt, dich mit ihr auszusöhnen,
damit dein Selbst - bewusst - das Sein erfasst.


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