gesellschaftskritische Aphorismen, Sonette und Balladen   -  ab 1996


Die Einsamkeit ist ein Geschenk
[Bonmot über den Sinn der Einsamkeit, 1996]

Die Einsamkeit ist ein Geschenk
der Seele an den Geist.
Wer das nicht nachempfinden kann,
misskreditiert zumeist
die Suche nach dem Einklang von
Gedanken und Gefühl.
Doch jener (seiner selbst nicht sicher)
weiß dann oft - zu viel!


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Seelenruh
[Bonmot über den Fluss des Lebens, 1996]

Lass fließen alles, was da strömt und fließt...
Das Leben selber, es fließt immerzu!
An seinen Uferhainen grünt und sprießt
ein zartes Pflänzchen namens „Seelenruh“.
Den mächtig breiten Lebensstrom umschließt
ein sanftes weites Tal. - Doch ab und zu,
wenn er sich über alles wild ergießt,
versinkt das Ufer dir... Und doch, im Nu
sinkt dann der Wasserspiegel, wie du siehst,
auch langsam wieder ab. Und dann, partout,
regt sich der Boden neu: es grünt und sprießt!

Nicht raub den Wurzeln deiner Seelenruh
das Lebensspendende, das sie umfließt.
Denn sieh, der Boden dafür, der bist du!
Wenn du den Fluss begrenzt (dich ihm verschließt),
verdorrt dir alle Lebenskraft im Nu.
Dann wird, was deines Lebens Urgrund ist,
verkarstet und versteinert sein... Und du?
Lass zu, was aus dem Urgrund sich ergießt.
Aus ihm fließt dir ein solcher Reichtum zu!
Sorg nur, dass du dein innres Reich nicht fliehst.
Hab Acht darauf. Denn sonst verkarstest du.


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Phasenübergänge
[ein Rundgesang, 2005]

Wir merken 's oft nicht:
das Leben besteht aus Phasen.
Als liebten wir
nur Blumen in Blumenvasen.

Das hieße doch,
Zerstückeltes genießen,
Wesenloses,
nicht bunte Blumenwiesen!

Musik ist ähnlich:
ein Kaleidoskop aus Klängen!
Da schwebt etwas
in Phasenübergängen.

Ein Einzelton,
der als Sirene schrillt,
macht (was er ja
auch sollte) angsterfüllt.

Doch atmen dürfen
wie schwingende Musik
und Knospen treiben
zu duftendem Lebensglück:

Das spüren wir
als wohlige Sensation!
Sind denn die Blumen
den Wiesen nur Dekoration?

Uns Menschen oft schon.
Wir haben so schmückende Vasen!
Vergessen dabei
die anderen Lebensphasen.

Genauso verfahren wir
oft mit dem eigenen Leben:
pflücken Gefälliges;
bald wieder fortgegeben...

Doch nur was wir gern
bewahren, bleibt uns erhalten!
Und nur aus „Bewährtem“
kann sich auch Neues gestalten.

Folgt denn nicht alles
konzentrischen Wachstumsgesetzen?
Matrix des Lebens -
sie ist durch nichts zu ersetzen.


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Eines langen Lebens Reise
[in Anlehnung an Eugene O'Neills Drama „Eines langen Tages Reise in die Nacht“, 2006]

Weiß nicht, ob ich in der Kindheit etwas „wollte“;
denn erinnern kann ich mich an so was nicht.
Dunkel weiß ich eher, was ich alles sollte!
Heut noch trag ich 's in mir, das Gefühl für Pflicht.
Dennoch glaub ich, dass da immer auch was grollte,
innerlich. (Jedoch dem achtete ich nicht.
Ich verdrängte es.) Und doch: ich schämte mich.
So, als ob ich schuld wär. Und das grämte mich.

Ob die Eltern ahnten, wo das hinführn muss?
Glaube nicht. Sie liebten uns ja, wie sie sagten.
Beim Zu-Bett-Gehn kriegten wir auch einen Kuss
und ein Bettsteigerl. (Besonders, wenn wir klagten,
dass sie uns noch was erzählen sollten.) „Schluss!“
Da war Schluss, und ohne Widerspruch; wir wagten
keinen. Wussten gar nicht, dass es so was gibt!
Wussten aber, dass man seine Eltern liebt.

Und wir lieben sie ja noch! Spricht was dagegen?
Wird schon recht gewesen sein, wie sie es taten.
Heute sind wir selber Eltern: Überlegen,
ob 's nicht besser sei zu tun, wie wir es hatten...
Kinder sind ja wirklich dumm! Nicht zu bewegen,
das zu machen, was man will! Die kleinen Ratten.
Nagen unsere Speisekammern leer - und scheuen
sich nicht, mehr zu wollen! Die werden 's bereuen!

Einmal werden sie dann selber Eltern sein.
Und dann werden sie schon sehen, wie das ist!
Wir zersprageln uns für sie tagaus, tagein,
sie vergessen, dass man nicht ins Laken pisst!
„Kinderängste“? Pah! Wir waren selber klein,
haben auch gelernt, dass man das nicht vergisst.
Braucht halt eine starke Hand. Seht uns an, hier:
„Wo der Bartl seinen Most holt“, wissen wir!

So was lernen Kinder heutzutage nimmer.
Liegt gewiss an diesem Überfluss. Doch was
kann man denn dagegen tun? Und es wird schlimmer!
Junge Leute spielen... saufen... rauchen Gras...
haben keine Arbeitsplätze...
(wie auch immer)
oder sie verweigern Essen... Gibt 's denn das?!
Weiß denn wirklich keiner mehr, was Pflichten sind?
Früher sagte man: „Das weiß doch jedes Kind! “

Was soll aber dann aus deren Kindern werden?!
Wohin wird es führen, dieses Karussell?
Jene Wohlstandsfrüchtchen, die sich selbst gefährden
(Nestbeschmutzer allesamt), wie soll'n die schnell
- über Nacht - zu welldressed Businessleuten werden?
Geld verwalten? Arme Kindeskinder, gell?!
Werden sie nicht ihre Eltern dafür hassen,
dass die sie so ganz sich selber überlassen?

Schaut, da drüben geht ein langhaariger Vater!
Oder eine Mutter? Nein, man sieht 's am Bart.
Trägt sein kleines Kind im Tragetuch. Ja hat der
den Verstand verloren? Weibisch ist das! Wart,
da muss die Fürsorge was tun, Sozialberater
schicken! Ist das nicht die reinste Höllenfahrt?
Wohin bitte, frag ich mich, soll das denn führen?
Sakra, unsre Väter würden sich genieren!

Und das Kleine wird dem Burschen sicher ähnlich:
voll Tattoos und Piercings, unbeschreiblich!
Ach wie ist der dumme Pöbel doch gewöhnlich:
unterscheidet nicht einmal mehr männlich/weiblich.
Nun, in dieser Frage bin ich unversöhnlich.
Dennoch sind auch meine Enkel anders... (Leiblich
werden sie wohl niemals eigne Kinder haben...)
Gott sei Dank sind meine Eltern schon begraben!

Die hab ich gepflegt. Das war gewiss nicht leicht.
Vielmehr hab ich sie natürlich pflegen lassen.
(Wenn man denen nur den kleinen Finger reicht!)
Doch man kann sie nicht sich selber überlassen.
Auch gehört es sich, dass man die Schuld begleicht.
Eigen ist das schon, dass lieben... fürchten... hassen...
so nah beisammen liegen. (Dunkles Menschenwesen.)
Wollte nur, ich wäre glücklicher gewesen.

Keiner will mich... Und jetzt bin ich ganz allein...
Graust mir auch, dass ich nun nichts mehr richtig kann...
Wenn ich schlafe..., träum' ich einen Sonnenschein,
wie ich keinen jemals sah! - In seinem Bann
ahne ich: es müsse dort viel schöner sein,
wo ich hingehn werde müssen... bald... (Und dann?)
Hätte ich bloß früher mehr Gefühl gezeigt,
wär wohl jemand bei mir, der sich stumm verneigt.


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Kausalität von Kindergedanken
[Kindermund tut Wahrheit kund, 2006]

Was machen die Vögel mit ihren Füßen beim Fliegen?
Wie lange dauern fünf Minuten eigentlich?
Was müssen denn die Frauen tun zum Kinderkriegen?
Das macht die Oma aber nicht, ganz sicherlich!
Und muss ich in der Schule auch zu Mittag liegen?
Sag, ist die Lehrerin auch wirklich wunderlich?
Na dann halt wunderbar, du weißt ja, was ich meine.
So lach mich doch nicht aus. Ich bin nicht deine Kleine!

Und ich bin auch nicht süß! Ich will so sein wie du!
Sag, siehst du denn im Finstern auch verrückte Sachen?
Ich kann die Stille hören. Und ich geb nicht Ruh!
Kannst du morgen endlich mal was mit mir machen?
Gestern hast du es versprochen. Hör mir zu!
Und ich mag nicht, wenn Erwachsene so lachen!
Wenn ich Angst hab, kriech ich unter das Klavier.
Wirst du mich dann suchen? - Such mich! Ich bin hier!

Willst du morgen mit mir über Wiesen laufen?
Denn ich muss doch meinen Drachen fliegen lassen!
Müssen wir denn wirklich morgen Schuhe kaufen?
Lieber will ich keine. Und ich werd sie hassen!
Ich will lieber mit den andern Kindern raufen!
Und ich hasse es, auf Schuhe aufzupassen.
Wenn ich einmal groß bin, kauf ich mir nur alte!
Na dann macht die Zunge eben eine Falte!

Wenn ich Kinder kriege, wirst du Oma sein.
Und dann willst du meine Kinder immer küssen.
Kannst du aber nicht! Ich lass sie NIE allein!
Wirst du eigentlich den Opa sehr vermissen?
Wenn du nämlich alt bist, ja so wird es sein,
wirst du einmal tot. Und ich werd weinen müssen;
so wie die Vase umfiel. Puh, da waren Scherben!
Wenn du wieder so laut schimpfst, dann will ich sterben.

Warum magst du meinen Bruder mehr als mich?
Hast du endlich einmal Zeit und spielst mit mir?
Dann erzähl mir was! Und drück mich fest an dich!
Fester noch! Viel toller! So wie ich bei dir!
Denn ich hab dich lieb. Was drückst du mich denn nicht?!
Wenn ich einmal groß bin, geh ich fort von hier.
Und ich komm nicht wieder, will dich nie mehr sehen!
Vorher aber muss ich in die Schule gehen.


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Ach wärst du doch mein Spiegel!
[Klagelied eines parentifizierten Kindes, 2006]

Auffallen will ich dir! Siehst du mich nicht?
Ich will nichts andres, als von dir geliebt sein!
Du sagst mir immer nur „Tu deine Pflicht“.
Sicher (ich weiß!), auch die will geübt sein.
Aber in mir sprüht ein Feuerwerk Licht!
Wie kann da alles um mich so betrübt sein.
Ach wärst du doch mein Spiegel! - Der sähe,
wie sehr ich an glühendem Sehnen vergehe.


Stell doch den Scheffel nicht über mich!
Soll ich kein Recht haben, hell zu brennen?
Oder: du willst mich nicht sehen, um dich
dann - in mir - als dich selbst zu erkennen!
Was da so funkelt und gleißt, das bin ICH!
Wirst es nicht leichtfertig abtöten können.
Ach wärst du doch mein Spiegel! - Der wüsste,
wie sehr ich dein Anerkennen vermisste.


Du gabst mir das Leben. Nun bin ich hier
und warte, dass du mir die Wege weist.
Du aber öffnest mir nur deine Tür,
weil du in mir einen Zuhörer weißt;
wenn du mich brauchst, dann rufst du nach mir!
Wie du im Zorn und im Wehklagen schreist...
Ach wärst du doch mein Spiegel! - Der würde
mir tragen helfen diese Bürde.


Wie soll ich da denn erwachsen werden,
ohne von vornherein zu verzagen?
Wie soll ich suchen nach neuen Gefährten,
ohne mich ungeschickt anzutragen?!
Nie fand ich Hilfsgeister, die mich lehrten,
wie Flügel mir wüchsen, mich fortzutragen!
Ach wärst du doch mein Spiegel! - Der sollte
mir zeigen, wie man abheben wollte!


Aber ich kann es alleine versuchen,
ins Leben zu gehn - und will es gestalten!
Muss mir halt eigene Wege suchen -
und werde die nötigen Kräfte entfalten!
So brauch ich nicht länger der Kindheit zu fluchen.
Ich wachse... und kann dich in Ehren halten!
Doch wärst du mein Spiegel  g e w e s e n,  der weinte!
Jener war blind. Wie schlecht er uns einte.


~ ~ ~ * ~ ~ ~