Frühling in der Stadt
[pittoreske Mini-Ballade, 1971]

Sonntags sind die Straßen menschenleer.
Sonntags ist das Arbeitsmenschenheer
einer ganzen Stadt familiär!

Alltagshektik ist am Sonntag träge.
Erst nach Mittag wird es etwas rege:
in den Stadtparks füllen sich die Wege.

Angezogene - mit Hut und Kragen -
schieben majestäisch Kinderwagen
(um die Garderobe auszutragen).

Alte Fräuleins (mit gespitztem Mündchen)
rufen neckisch-streng nach ihrem Hündchen.
Sie ergehen sich ein knappes Stündchen.

Doch sie fürchten sich, des Wegs zu trotten,
wo sich Schlurfs (in schäbigen Klamotten)
lautstark pöbelnd wild zusammenrotten.

Nur ein alter Mann (er ist gebrechlich)
droht mit seinem Stock, doch droht er schwächlich;
eigentlich sind sie ihm nebensächlich.

Dort ein blasser Kerl mit schmalen Hüften,
(ein Poet wohl) träumt von „hehren Lüften“,
lispelt was von „süßen Blütendüften“.

Und die Tauben (leider keine Lerchen
oder Nachtigallen, wie im Märchen)
turteln glucksend, finden sich zu Pärchen.

Gurrend künden sie von neuem Glück,
denn der Lenz, der Frühling ist zurück!
Junger Blätter Grün erfreut den Blick.

Auf den Wiesen lagern ringsumher
junge Leut', als ob 's zu Hause wär:
lungern, lachen, schmusen... sind leger!

Um die Flirtenden (der alte Bock!)
humpelt stundenlang an seinem Stock
ein Voyeur mit aufgeknöpftem Rock.

Und im abgezäunten Extra-Garten
grölen Tschecheranten; dippeln Karten.
Zoff und Streit lässt wohl nicht auf sich warten.

Messerstecher werden abgeführt...
Hoch am Himmel (selber echauffiert)
schwitzt die Sonne: Wo das enden wird!

Aber dennoch macht die alte Erde
mit verzeihend tröstender Gebärde:
dass es immer wieder Frühling werde.


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